Karla hat Besuch von Vater und Schwester bekommen, war auf
Kurzbesuch in Deutschland und dann noch schnell in Vilnius.
Von vorne.
Vor zwei Wochen, am 23.10., landeten Inga und Papa in Riga.
Das Wetter war extra für die beiden umgeschlagen, nun war es so unfreundlich
und fröstelig kalt, wie man es vom Baltikum im Herbst erwartet. Praktischerweise
war am nächsten Tag freier Eintritt bei RIBOCA, der Riga International Biennal of
Contemporary Art. Was ist das? Eine fünfmonatige Ausstellung zeitgenössischer
Kunst an fantastischen Veranstaltungsorten – zum Beispiel der ehemaligen
Biologiefakultät der University of Latvia, einer ehemaligen Textilfabrik und
einer Eisenbahnstation. Zu ersterem begaben wir uns. Wir begutachteten Tannenzapfensammlungen,
hüpften auf Guttaperchaplatten herum, inspizierten eine genmanipulationsdarstellende
Wand, stellten uns in einen Raum voller Pappmaché und saßen mit Plastiktüten an
den Füßen in einem gelben Raum und hörten schrillen Naturgeräuschen zu. Klingt
nach Kunst, oder? Hier Bilder.
Durchgeschnitten werdende Blume in Wasser. |
Ein kleines Highlight begegnete uns draußen, in einem
abgeschirmten Innenhof. Von dort lugte vorwitzig ein rot-weiß-blauer Kiosk
hervor. Wir erkannten die britische Flagge. Unsere Neugier war geweckt. Wir
pirschten uns an. Vor uns befand sich deeer – Trommelwirbel – Brexit-Kiosk!
Ja, es war ein putziger kleiner Kiosk, geführt von einem
Briten, mitten in Riga, mit Anti-Brexit-Handelswaren. Oben auf dem Schild konnten
wir „Open vor Business“ entziffern. Tatsächlich bestand das Sortiment aus 52 % „Leave“-Waren
und, folgerichtig, 48 % „Remain“-Waren. Zum Beispiel eine Europaflagge mit der subtilen
Aufschrift „Brexshit“.
Auch das ist Kunst. Michael Landy, der Brite im Kiosk, ist
Künstler. Und der Brexit-Kiosk sein Beitrag zu RIBOCA.
Der Brexit-Kiosk von Michael Landy. |
Riga liegt nah am Meer, und obwohl es Ende Oktober war, bestand Papa auf einen Ausflug ans Wasser. Also setzten wir uns am Freitag in die Bimmelbahn Richtung Jūrmala, nach Majori. Der Ort und vor allem der Strand unterschieden sich von dem Bild, welches in noch von meinem letzten Besuch dort am ersten September im Kopf hatte. Die Essensstände auf den Straßen waren verschwunden, ebenso wie die meisten Menschen. Man saß in Restaurants oder Cafés, gegen Nachmittag fing es an zu regnen. Wir gingen trotzdem zum Strand, und das genau zur richtigen Zeit. Die letzten Tropfen fielen gerade und die Sonne hatte sich noch nicht verdrängen lassen, sodass wir einen tollen Regenbogen über dem aufgewühlten und angestrahlten Meer miterlebten. Der herbstliche Strand ist viel fotogener!
Alles dabei - Regenschirmpapa, Strandspielplatz und lettischer Regenbogen. |
Das Mädchen und das Meer. |
Der verrückte Fotograf. |
Eine Woche später sollten wir uns schon wiedersehen. Opa feierte seinen 90. Geburtstag, dazu reisten natürlich alle an. Ob aus England, Schottland, Lettland oder Bayern, egal woher. Reden wurden gehalten, Lieder gesungen, Essen vernichtet, Fußball und Boule gespielt.
Aber da es auf diesem Blog um meine Auslandserfahrungen gehen soll, werde ich darauf nicht weiter eingehen.
Stattdessen Kontrastprogramm. Lāčplēša diena am vergangenen Sonntag, 11. November. Der lettische Unabhängigkeitskämpfer-Gedenktag. Ganz Riga kam zu diesem Ereignis an die Ufer der Daugava, den gefallenen Soldaten Kerzen aufzustellen. Entlang der Mauern des Rigaer Schlosses flackerte und leuchtete es in dieser Nacht. Die Kerzen standen in roten und gelben Gläschen, die Menschenmenge andächtig davor. Ab und zu sah man eine kleine Rauchfahne emporsteigen, dann war mal wieder ein aufmerksamer Feuerwehrmann seiner Arbeit nachgegangen. Auch meine Mitbewohnerin und ich hatten Teelichter mitgebracht. Ohne Gläschen jedoch ein hoffnungsloses Unterfangen, es war zu windig. So nahmen wir sie wieder mit nach Hause.
An diesem Tag vor 99 Jahren siegten die lettischen Streitkräfte über die russisch-deutschen, und besiegelten damit die Unabhängigkeit, welche ein Jahr zuvor verkündet worden war. Die feiern wir dann übrigens kommenden Sonntag.
~ Wort des Tages: "Dzērvenes". Man findet sie momentan in großer Vielzahl auf dem Markt. Kleine rote Beeren, der Durchschnittsdeutsche kennt sie nur getrocknet. Cranberries.
Karla
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