Freitag, 27. November 2015

Wie wir Glühwein im Sommer tranken und ich eine Ruana kaufte

Guten Morgen zusammen!

Eines Freitags lud der Bürgermeister spontan die gesamte Grundschule in das noch nicht ganz fertiggestellte Stadium Cucaitas ein. Keiner wusste so recht warum und wofür, aber spontan wie man eben ist brachte man alle Klassen schnell dorthin. Es gab eine kindgerechte Animation, danach einen Snack für alle (Sandwich, Lutscher und Limo, hypergesund wie immer) und zum Schluss bekamen alle anwesenden Kinder ein Geschenk. Die Mädchen eine 'Barbie'-Puppe und die Jungen einen Sandspielzeugkran. Diese Unterteilung fand ich doch recht sexistisch, aber die Kinder haben sich sehr gefreut. Wofür das Ganze genau war, habe ich nie herausgefunden. Wahrscheinlich zur Promotion des Bürgermeisters, bevor er im kommenden Jahr sein Amt abgibt.



Das vorletzte Wochenende verbrachte ich wieder in Duitama, von wo wir am Samstag in das kleine Dorf Nobsa fuhren. Karla wollte nämlich un-be-dingt endlich eine Ruana haben, da es abends in Cucaita ziemlich kalt wird und sich so ein Ding als mega praktisch erwiesen hat. In Nobsa reihen sich die Ruana-Läden nur so aneinander und ich stellte mich als überaus komplizierte Ruana-Käuferin heraus. Die Standard-Ruana ist nämlich grau-braun oder weißlich, das finde ich aber zu langweilig. Nachdem wir zwei Mal die Einkaufsstraße rauf- und wieder runtergelaufen waren, hatten wir aber auch dieses Problem gelöst.
Meine Ruana und ich, wir sind sehr glücklich zusammen. Das Teil ist soo gemütlich und warm!



Nachdem wir am Samstag zusammen feiern waren, nahmen mich am Sonntag zwei Freundinnen Edwards mit ins Pueblito Boyacense. Dieses ist ein wunderschönes kleines Dorf, das alle (wichtigen) Dörfer des departamentos darstellt. Jeder Teil besteht aus verschiedenen Nachbauten der Häuser und Plätze. Wirklich einen Besuch wert. Und das Coolste: man kann in diesen Häusern ganz normal wohnen!
Im Pueblito machen sie angeblichen das beste Merengón (Baiser) in der Umgebung, das durften wir uns natürlich nicht entgehen lassen. Zuckerschock meines Lebens, aber delicioso!

Auf einem sehr schönen 'Dorfplatz'.
Bin mir ziemlich sicher, dass dieser Teil Ráquira darstellen sollte.
Merengón: Frische Früchte (Feijoa und Erdbeeren!) mit dulce de leche (Caramellsoße) und darauf Baiser.
Ruana und Karla und buntes Haus im Pueblito Boyacense.

Letzten Freitag fand die despedida, also die Verabschiedung der Elftklässler statt.
Hierzu gab es erst einmal die 'bandera', wo zwei ausgewählte Schüler zur National- bzw. Schulhymne die jeweilige Flagge hissen durften und mein Lieblingsenglischlehrer verabschiedet wurde, weil er in Rente geht. Das war traurig.
Im Anschluss daran veranstaltete die Zehnte ein Mittagessen für sich selbst, die Elfer und natürlich die Lehrer, ich durfte also auch dabei sein. Das Ganze war überaus festlich gehalten. Im Gegensatz zu mir, die in Jeans und T-Shirt kam wie üblich. Aber so etwas stört hier glaub ich keinen. Nach dem Essen wurden die Tische weggeräumt und bis um Punkt sechs Uhr abends getanzt, dann musste die Halle aufgrund von Lärmschutzregelungen geräumt werden (einige der Fenster haben kein Glas, unpraktisch). Die meisten, mich eingeschlossen, hinderte dies jedoch nicht am Weiterfeiern. Versammelte man sich eben in privaterem Rahmen im Haus, bzw. auf dem Dorfplatz. Ein paar andere Lehrer blieben auch noch, war witzig. Meine Elfer werde ich im neuen Schuljahr (Ende Januar) vermissen...

Abschlussrede von profe Rafael.
Technische Probleme mit der Flagge.

Festliches Bankett zur Verabschiedung.
...mit den Elfern.

Von Montag bis gestern waren wir 16 Freiwilligen mit Natalia und Martin auf unserem Zwischenseminar in Moniquirá (ca. 1,5 Stunden von Tunja entfernt). Obwohl so nah dran, herrscht dort ein komplett anderes Klima! Übergrüne Landschaft, weil es täglich einen Regenfall gibt, dazu sommerliche Temperaturen im hohen Zwanzigerbereich (so 28°C). Wir verbrachten die vier Tage in einem schicken Hotel mit zwei Pools und sehr kolumbianischem Personal. Soll heißen, sie ließen sich für alles unsäglich viel Zeit und keinen außer die Deutschen störte es. Am dritten Tag durften wir die Ankunft einer Riesenrentnerreisegruppe erleben – da reichte die Essensschlange gut und gerne bis zu unseren Zimmern, also 200m. Aber keinen stört's. Hier haben alle die Ruhe weg und jede Menge Zeit.

Auf dem Seminar hielt jeder von uns einen zehnminütigen Vortrag über ein vorgegebenes Thema auf Spanisch, zur Wissenserweiterung aller. Es kamen Themen wie zum Beispiel 'Die Koexistenz der verschiedenen Gemeinschaften', 'Adoption durch homosexuelle Paare' oder 'Juan Manuel Santos' (das ist der Präsident Kolmbiens). Wir lernten ein lustiges Spiel kennen, das Martin Riesenfußball nennt und darin besteht, dass sich jeweils zwei Spieler batteln und versuchen, einen Putzlappen mithilfe von Besenstielen in das gegnerische Tor zu befördern. In der Freizeit hingen wir am und im Pool herum und ich schaffte endlich mehr von meinem (spanischen) Buch. Am letzten Abend veranstalteten wir eine kleine Weihnachtsfeier - bei 25°C versteht sich. Trotz Palmen und Sommerkleidern ließen wir es uns nicht nehmen, zu diesem Anlass Glühwein zuzubereiten. Beziehungsweise zubereiten zu lassen, denn in die Küche durften wir aus hygienischen Gründen nicht rein. Dafür pressten Laura und ich 40 Orangen, da hier fertiger Orangensaft, den unglaublich billigen Früchten zufolge, schwer zu finden ist.

Das Hotel.
Die Umgebung - Riesenbambusbäume!
Und noch einmal weil's so cool ist: Riesenbambusbäume!

Mandarinenbäume!
Rumgehänge am Pool.
Schnitzeljagd mit merkwürdigen Aufgaben.     ©Pauline
Alle sind begeistert vom echt weihnachtsmarkttauglichen Glühwein.


Heute ist übrigens mein letzter 'Schultag', das heißt bis Ende Januar kommen jetzt hoffentlich ein paar mehr Posts. Ich geb mein Bestes. 'Schultag' in Anführungszeichen, weil erst einmal alle zwei Stunden später herkamen und jetzt genau genommen keiner irgendetwas zu tun hat. Die Schüler sammeln nur Unterschriften ein und reparieren ihre Stühle, die Lehrer trinken Kaffee oder schreiben an ihrem Blog. Seehr relaxed.
Achso und damit ihr jetzt nicht alle vollkommen verwirrt seid: hier ist das Schuljahr einmal umgedreht, das heißt es beginnt im Januar und endet eben jetzt, im November.

 ~ Wort des Tages: (nein, es ist nicht Ruana) "Chilena". Auf Deutsch heißt das Fallrückzieher. Ich habe letztens mit Yuly Fußball geguckt, Kolumbien fährt nicht nach Russland...

Hasta luego, Karla

Mann mit Ruana auf Esel. Das nenn ich mal authentisch!

Freitag, 6. November 2015

Tanzen und wählen gehen

Buenas!

In diesem Beitrag berichte ich nur von einzelnen Ereignissen, da sich ansonsten der Alltag eingependelt hat und normalerweise in der Woche nichts 'Besonderes' passiert. Ich gehe eben zur Schule und gebe nachmittags fast täglich Englischnachhilfe.
Meine Schüler fangen nun an, mir Komplimente für mein Spanisch zu machen. Ich scheine mich also verbessert zu haben. Wenn die Themen nicht total außerirdisch sind, kann ich auch wirklich gesprächstechnisch annehmbar mithalten. Nur das doppelte 'r', daran arbeite ich noch. „Perro. Borracho. Horripilante“, hört man mich manchmal mit Yuly üben.

Farbflash
Vorletzten Sonntag machte ich mich in aller Frühe auf, das kleine Dorf Ráquira kennenzulernen. Dort traf ich mich mit Marla und mich fast der Schlag, da dieser Ort einfach umwerfend bunt ist. Alle Häuser sind in unterschiedlichen Farben gestrichen und dazu kommen die natürlich ebenfalls sehr farbenfrohen Artikel, welche die wie kleine Schulkinder aufgereihten Läden verkaufen. Da gibt es Ruanas (Ponchos), Ohrringe, handgefertigte Tonarbeiten, Windspiele und ganz tolle Hängematten.
Auch der kleine Markt brachte keine Pause für die farbgeflashten Augen.

Ráquira - bunt bis zum Gehtnichtmehr.
Fettes Tonhandarbeitslager.
Auf dem Markt - das sind alles Kartoffeln!

Teambildungsmaßnahmen
Von unseren Koordinatoren Natalia und Martin initiiert, veranstalteten wir Freiwilligen am Freitag im Zuge des Kindertags ein paar besondere Stunden für die 101 Schüler_innen der Grundschule einer Mitfreiwilligen. Es wurden verschiedene Spiele an Stationen angeboten, danach ein Mittagessen gereicht (bestehend aus Nudelsalat, Würstchen, Eistee und zum Nachtisch Brownie mit Eis) und alles fotografisch festgehalten.
Ich war in der Essensgruppe. Die Zubereitung und vor allem das Ausgeben des Mahlzeit an alle Kinder gleichzeitig erwiesen sich als sehr stressig aber definitiv teamfördernd.
Da es der Tag vor Halloween war, kamen alle Kinder (teils sehr kreativ) verkleidet in die Schule. Als Deutsche erschien es einem eher wie Karneval – überall Prinzessinnen und Superhelden, fast keine Hexen oder Vampire. Natürlich kamen auch wir Freiwilligen in Kostüm.
Nach diesem Tag war die frisch gestrichene Wand der Schule wieder ruiniert und ich davon überzeugt, niemals in einer Großküche arbeiten zu wollen. Dort wird einem nämlich vom Anblick all des Essens (zwei Megapackungen Mayonnaise...) ein kleines bisschen schlecht. Und die Demolierung der Wand erreichten wir durch kreative Handabdrücke auf ein Erinnerungslaken für die Schule. Das färbte nämlich ab.

Anfängliche Erklärungen.
Karneval lässt grüßen.
Station 'Basteln'.
Fleißig Hüte falten.
 ©Pauline

                                       Das teuflische Team Cucaita!                    ©Pauline
©Pauline


Kochen für die Kinderhorden.
Das war am Ende noch übrig.

Der frisch gestrichene Raum.


Das fertige Plakat. Karla ganz links.
Die ganze Truppe nach diesem anstrengenden Tag. Obligatorischerweise mit Hund.

 Wahlwahnsinn
Am Sonntag, dem 25.10.15 fanden in Kolumbien die regionalen Wahlen statt. Dafür wurde im Voraus natürlich exzessiv Wahlkampf betrieben – überall Plakate, mal saßen Kandidaten mittags bei uns am Essenstisch und vor allem fuhren nervige Autos mit Lautsprechern auf dem Dach herum. Und wenn ich sage überall Plakate, dann reden wir von verzierten Steinen am Wegesrand, Plakaten in jedem zweiten Fenster und auf Tore, Mauern, Häuser und Schafställe aufgepinselten Namen. Auch meine Mutter hatte sich für den Rat aufstellen lassen.
Eines Sonntag Abends fand eine interessante politische Veranstaltung statt. Das halbe Dorf versammelte sich auf einem Platz. Es gab eine Bühne, wo eine Band spielte. Es gab Freibier für alle. Es wurde getanzt. Zwischendurch hielten alle vier Bürgermeisterkandidaten je eine Rede. Dann wurde die Musik wieder aufgedreht und weitergetanzt.
So ist die Politik hier.
An besagtem Sonntag der Wahlen konnte man vor lauter Menschen in Cucaita fast keine Baustelle mehr sehen (hier wird gerade überall gebaut). Aus allen umliegenden 'Veredas' hatte man sie herangekarrt (also die Menschen, nicht die Baustellen). Teilweise organisierten die Kandidaten selbst diesen Transport. Da war es dann natürlich klar, wen die Leute wählen würden.
Der Menschenmenge entsprechend viele Polizisten und Soldaten hatten in den vorangegangenen Tagen den Weg in die Metropole Cucaita gefunden. Wirklich übertrieben viele. Aber das hat anscheinend alles seinen Grund, es gebe nämlich ziemlich sicher immer Streitigkeiten rund um die Wahlen.
Der Wahlvorgang selber fand in meiner sehr gut bewachten Schule statt. Laura und ich wurden als 'Ehrengäste' hereingelassen, um das kolumbianische System zu bewundern. Nicht krass anders als in Deutschland, musste ich etwas enttäuscht feststellen. Es gab ca. zehn mit großen Pappkartons beschilderte und abgeschirmte Stationen, zu denen man je nach Wohnort und Geschlecht hingeht und sein Kreuz machte. Allerdings musste man sich dafür die Nummer seines Kandidaten merken, da es keine Namen auf den Stimmzettel geschafft haben.
Die Wahlbeteiligung hier war umwerfend hoch – 84%, wenn ich mir die Zahl richtig gemerkt habe.
Meine Mutter und auch der Kandidat meiner Familie verloren, was die Stimmung an diesem Abend etwas drückte. Wir kriegen jetzt einen 28-jährigen Bürgermeister.




Eines Mittwochs versammelten sich alle Schüler_innen auf dem Schulhof und tanzten zwei Stunden lang. Weil es gesund ist. In Deutschland würde a) keiner auf so eine Idee kommen und b) auch keiner mitmachen.
Gut, selbst hier machte leider nur die Hälfte der Schüler_innen mit, diese jedoch sehr enthusiastisch und kontinuierlich, der brennenden Sonne zum Trotz. Habe das Event für euch gefilmt:





Neue neugierige-Schüler-Fragen:

  • Wie ist dein Nachnahme? (…) Wie bitte?
  • Wie heißen deine Eltern?
  • Gehst du öfters laufen?
  • Vermisst du deine Familie nicht total?
  • Über Weihnachten fliegst du bestimmt nach Hause, oder?
  • Wenn man evangelisch ist glaubt man also an keinen Gott?

~ Wort des Tages: 'Pitufo'. Das ist das spanische Wort für Schlumpf, und ich lernte es kennen, als ich einen meiner Nachhilfeschüler nach dem Namen seines Hundes fragte.

Hasta luego,
Karla

Kleine gelbe Männchen, die auf Strommasten herumklettern, gehören einfach dazu.