Dienstag, 27. November 2018

Latvija 100


Letzten Sonntag vor 100 Jahren wurde Lettland unabhängig. Also am 18.11.1918. Für die, die nicht rechnen wollen. Entsprechend groß wurde an diesem Tag gefeiert.
Die Lichterausstellung Staro Rīga zeigte künstlerische Lichtinstallationen in ganz Riga, und das an drei Abenden. Auf dem Weg in die Innenstadt kam ich an einer Fontäne vorbei, auf die ein Countdown projiziert war. Noch 40 Sekunden, ließ sie verlauten. Neugierig blieb ich stehen. 
Drei. Zwei. Eins. Hoch schoss das Wasser, als die Fontäne ihre Größe verdoppelte. Sie erinnerte an einen Pfau, der mit seinem Rad beeindrucken möchte. Eine Stimme ertönte, und nun sah man auf der Leinwand aus Wasser Farben und Formen Gestalt annehmen. Die Stimme erzählte eine Geschichte, die ich selbstverständlich nicht verstand. Dazu bewegten sich Silhouetten auf der Wasserleinwand und leuchtende Farben erhellten Bach und die mich umgebenden Gesichter.

Wie ein leuchtender Pfau!

(In echt sah es cooler aus.)

Erleuchtet: Brīvības piemineklis

Ich lief weiter, am angestrahlten Freiheitsdenkmal vorbei, in Richtung der alten Biologiefakultät. In dem dazugehörigen Park gibt es einen See. Auf dem See schwammen riesige leuchtende Seerosen, und darüber flogen in einer musikalischen Inszenierung Kolibris. Also, eigentlich sahen sie aus wie leuchtende kleine Zeppeline mit Flügeln. Aber nennen wir sie der Kunst zuliebe Kolibris. Ich musste eine ganze Weile stehenbleiben und gebannt zusehen, bis mir klar wurde, dass auch Menschen involviert waren. Unter den Vögeln nahm ich nämlich Schemen wahr. Zwei schwarz gekleidete Künstler bewegten die Lichttiere unablässig über ihren Köpfen, wie Lenkdrachen. Krasse Arbeit, das nachts bei null Grad fünf Stunden lang durchzuziehen. Ich ließ die musikalischen Flugtiere hinter mir und schob mein Fahrrad weiter. Dorthin, wo alle herkamen.

Das Rigaer Kongresszentrum war zu einem Bilderbuch umfunktioniert worden. Auf die gesamte Breitseite des Gebäudes war eine märchenhafte Szenerie angeworfen. Eine Stimme erzählte eine Geschichte und die Menschenmenge um mich herum beobachtete angetan, wie der Protagonist durch den verzauberten Wald hüpfte. Ohne Lettischkenntnisse – mäßig spannend.




Keinerlei Lettisch brauchte ich jedoch für das majestätische Feuerwerk am Sonntag um Punkt 21:02 Uhr. Wir alle haben bereits unzählige Feuerwerke gesehen. Aber dieses war besonders. Auf Fotos kann man so etwas nicht zulänglich festhalten, deswegen habe ich das auch nicht getan. Knapp 20 Minuten lang galten des Publikums Blicke einzig und alleine dem Spektakel am Himmel und unmittelbar über dem Wasser der Daugava. Abgestimmt auf lettische Musik schossen Fontänen und Säulen aus Licht empor, ließen Scheinwerfer den verursachten Rauch in weiß und rot erstrahlen und umringten riesige Bälle aus Feuerwerk den Mond. Man war hingerissen. Besonders gut fand ich die Lautstärke. Entgegen gängigen Erwartungen muss Feuerwerk nämlich nicht ohrenbetäubend laut knallen oder pfeifen. So hörten wir die begleitende Musik erstaunlich gut.

Einziger Knackpunkt, den viele Letten kritisieren: die hier in 18 Minuten verpulverten 235.000 Euro hätte man auch sinnvoll anders einsetzen können.

Weiterer erwähnenswerter Punkt: Die Menschenmassen. Nicht nur ganz Riga, nein, gefühlt ganz Lettland war an diesem Abend mit seinen geballten 1,95 Millionen in der Innenstadt unterwegs. Es gab teilweise einfach kein Durchkommen. Überall Menschen. Und der öffentliche Nahverkehr war an diesem Tag kostenlos. Ich muss wohl nicht erwähnen, dass wir den ganzen Weg liefen. Viele gingen nach dem Feuerwerk noch essen oder feiern, denn der Montag war frei. Clubs wurden in dieser Nacht dazu angehalten, ausschließlich lettische Musik zu spielen. Einfach alles war auf den Beinen. Mir gefiel die Atmosphäre sehr.

Fun Fact: Am 18.11. geborene Babies (61 an der Zahl) bekamen traditionell gemusterte Fäustlinge vom Staat geschenkt.
Außerdem: In vielen vielen anderen Ländern feierte man mit, indem wichtige Gebäude oder Ähnliches in den lettischen Nationalfarben erleuchtet wurden. Zum Beispiel die Niagarafälle an der US-kanadischen Grenze, der polnische Präsidentenpalast, der Leuchtturm in Genoa, Italien, oder Manneken Pis in Belgien, der in lettische Tracht gehüllt wurde.


~ Worte des Tages: „Sniegbaltīte un septiņi rūķīši“. Ich bin letztens am Theater vorbeigekommen, und es hing ein Plakat zu diesem Märchen aus. Schneewittchen und die sieben Zwerge. Ich fand die Übersetzung ganz witzig.

Karla

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Ich freue mich immer ueber Kommentare.