Freitag, 19. Oktober 2018

Sprachlos

Heute präsentiere ich euch ausschließlich Fotos, weil ich in letzter Zeit recht viele davon gemacht habe und Lettlands Herbst unleugbar schön ist.

RIGA
Samstag Morgen, ein Sonnenaufgang über der Daugava, Fischerboot.
Meine Straße, noch etwas verträumt.
Selbe Szenerie, diesmal mit meinem treuen Rad.
Zwei Stationen eher aussteigen und durch das herbstliche Riga laufen.
SIGULDA
Ein mittwöchlicher Ausflug nach Sigulda.
In Sigulda ist der Herbst nämlich am krassesten.
Und auch hier gibt es Burgen.
Die letzten Blätter fallen bereits.

Zu guter Letzt noch eine Karla.

~ Wort des Tages: "Bumbieris". Super süßes Wort und es bedeutet Birne.

Karla

Sonntag, 14. Oktober 2018

Die Route nach Latgale



Heute nur eine kleine Ergänzung zu dem vorherigen Eintrag über Latgale. Den meisten wird die Geografie Lettlands eher unbekannt sein (so wie mir bis vor ein paar Wochen), deshalb hier eine kleine Karte, in die ich unsere ungefähre Route eingetragen habe. Das pinke Kreuz stellt unsere Unterkunft Zirga Smaids dar (Ihr erinnert euch? Grinsende Pferde).

Donnerstag, 4. Oktober 2018

Latgale. Oder auch "Ich seh' nur Seen".


Es ist stressig geworden in der kleinen baltischen Hauptstadt Riga.
Karla schrieb gestern ihre erste Klausur (ja, nach einem Monat Uni, das macht man hier so), kriegt viele Hausaufgaben auf und möchte zwischendurch auch mehr von dem Land sehen. Deshalb missachtete sie die drohende Buchführungsklausur am Montag und schloss sich am Wochenende einer 50-köpfigen Truppe aus Erasmus-Studierenden an, um nach Latgale zu fahren (deutsch: Lettgallen, das klingt nicht so cool). Dies ist eine seendurchzogene Region im Südosten Lettlands, nahe der Grenze zu Weißrussland. Wir fuhren mit einem Reisebus und hielten alle halbe Stunde an, um eine weitere Sehenswürdigkeit zu begutachten. Auf diese Weise sahen wir in kürzester Zeit maximal viel, allerdings empfangen wir das ständige raus-ins-Kalte und das darauffolgende im-warmen-Bus-Einnicken als äußerst anstrengend.

Es ging los um sieben Uhr morgens, und das an einem Samstag.
Sieben. Uhr. Morgens.
Samstag.

Der erste Stopp ist im Nachhinein meine Lieblingsattraktion geworden. Die Sonne war gerade erst aufgegangen und hing noch schwerfällig im morgendlichen Nebel fest. Durch einen kleinen Wald liefen wir zu der Burgruine Kokneses pils, welche an drei Seiten von den Wassern der Daugava umspült wird. Es war ruhig, es war kalt und es war wunderhübsch. Ein paar kleine Fischerboote dümpelten fotogen durch den Dunst. 
Uns wurde leider nur eine halbe Stunde gegeben, dann scheuchte man uns wieder in den warmen Bus. Es ging weiter zu einer Luxustankstelle, wo man uns frühstücken ließ (bzw. war uns das Frühstück gar nicht so wichtig, viel relevanter war der Kaffee).


Karla mit Truppe.


Herbst in Lettland!

Stimmungsvoll! Malerisch! Zauberhaft! Atemberaubend!
Nächster Halt: Eines der vier Naturreservate Lettlands, das Teiĉu dabas rezervāts. Es sieht einfach nur nach Wald mit echt kleinen Bäumen aus, die man von einem windigen Aussichtturm begutachten kann. Es ist natürlich mehr als das, nämlich wichtiger Lebensraum für zahlreiche Pflanzen- und Vogelarten inklusive Moor. Unsere Gruppenführerin, Biologiestudentin, erzählte uns von den strengen Auflagen, die es ihrem Land in Bezug auf Bäume gibt. Die meisten darf man nicht fällen und das Reservat zum Beispiel wird von Menschen nicht betreten. Die Letten lieben ihre Bäume.

Weiter geht es nach Rēzekne, einer Stadt mit angeblich über 30.000 Einwohnern. Von denen sehen wir aber nur circa zwölf. Generell ist diese siebtgrößte Stadt des Landes bemerkenswert klein. Wir werden für 1,5 Stunden freigelassen und gucken uns die nächste Ruine an, dann gibt es Mittagessen. Mehr gibt es über Rēzekne leider nicht zu sagen.

Wir klettern auf die Burgruine.

...oder versuchen es zumindest.
Nun ging es richtig in die Natur. Der Bus holperte über unasphaltierte Wege, ringsherum nur grün. Den letzten Kilometer bestritten wir zu Fuß. Das Ziel? Ein weiterer Aussichtsturm. Ein sehr hoher Aussichtsturm (34m), auf dem dritthöchsten.. naja, Hügel Lettlands, dem Lielais Liepu Kalns. Zu allen Himmelsrichtungen lag uns der Nationalpark Rāznas nacionālais parks zu Füßen. Hatte ich vor fünf Sätzen ringsherum grün gesagt? Hier war es ringsherum grün. Überall Bäume. Ü-ber-all. Und ein obligatorischer See. Ich wurde ja vor Lettlands krasser Natur gewarnt, aber diese quantitative Überlegenheit der Pflanzen über Menschen beeindruckte mich. Über die Hälfte des lettischen Territoriums besteht aus Wald.
Als wir mit dem Bus weiterfuhren, schaute ich etwas aufmerksamer aus dem Fenster. Die Landschaft ist geprägt von Seen, Schrebergärtchen, saftig grünen Wiesen und fast keinen Kühen. Die Häuser sind höchstens zweistöckig und oft aus Holz.


Bäume, überall Bäume.
Und wieder guckten wir uns eine Burgruine an. Diesmal in dem Städtchen Ludza, welches ich mir gerne näher angeschaut hätte, aber die Zeit war gegen uns und der Sonnenuntergang nahte. Das besonders Schöne hier waren wieder die zahlreichen Seen, meiner Meinung nach. Es gibt so viele davon, dass den Letten anscheinend die Namen ausgehen. Den großen See östlich der Stadt nannten sie einfach nur Lielais Ludzas ezers – „großer Ludza-See“. Und ja, es gibt auch noch den Mazais Ludzas ezers – den kleinen Ludza-See.

Die Ruine von Ludza und.. Karla.

Es war 19:00 Uhr, als wir endlich in unserer Bleibe ankamen. Aber was für eine Bleibe! Großzügig verstreut lagen auf einem tipptopp gepflegten Rasen sechs Holzhütten. Direkt am was? An einem See natürlich. Zu neunt bezogen wir eine der Hütten und bereits eine halbe Stunde später hörte man von überall her Leute Holz hacken. Der Kamin und der Grill und die Sauna werden ja nicht von alleine warm. Und auch wenn ich das Wort ‚warm‘ benutze – das ist das letzte Adjektiv, das mir zu diesem Abend einfallen würde. Es ist Herbst, das machten uns die Temperaturen deutlich. Mit etwas Wein klang der Tag aus.

Karla hackt Holz.

Der Blick von unserem Balkon aus.


Ich verpasste den Sonnenaufgang über dem See Nirzas Ezers, das Bett war einfach zu warm. Gegen acht Uhr sah man verschlafene Gestalten durch die Wiesen zum Frühstück stapfen. Es bestand aus durchweg deftigen Sachen: hartgekochte Eier, dunkles und helles Brot, Käse, Wurst, Gurke, Tomate und, ok, für jeden genau eine Banane. Die Deutschen vermissten Marmelade oder Honig. Nach diesem Mahl pflückte sich jeder noch ein bis vier Äpfel, dann kuschelten wir uns wieder in den Reisebus, es ging zum Brotmuseum.

Um ehrlich zu sein, hatte ich etwas anderes erwartet. Das Brotmuseum besteht aus einem Haus, das so eingerichtet ist, wie früher in dieser Region üblich. Und dort erklärte uns eine traditionell gekleidete junge Frau etwas über das Leben früher, und wie die Frauen hier früher Brot buken. Die Essenz des Vortrags war eigentlich, dass Frauen mit ihren Brotbackfertigkeiten potenzielle Heiratskandidaten beeindrucken mussten. Und wenn sie 100 Brotenden (Knuste, Knippchen, …) gegessen hatten, würden sie den perfekten Mann finden – außer sie sähen zwischendurch ein weißes Pferd. Skurril und konservativ, wenn ihr mich fragt.
Das Brotmuseum hatte aber auch etwas Erfreuliches, nämlich Essen. Man servierte uns ein klassisches lettgallisches Mittagessen – Suppe, Kartoffeln, Pfifferlingsoße (selbst gepflückt!), Schinken, Brot natürlich, Honig und Hüttenkäse. Die letzten drei alle selbstgemacht. Und der Nachtisch! Hüttenkäse mit Honig in einer Teigtasche, angebraten oder frittiert, und mit geschmolzenem Käse drüber. Zumindest finde ich, dass es Käse war, andere meinen, es sei warme Apfelsoße oder so gewesen. Jedenfalls war es sündhaft lecker.

Wenn man Google traut, heißt die Nachspeise Klockas.


"Esst, bis ihr ein Bäuchlein habt!", sagte sie. Also taten wir das.

Die traditionelle (Brotback-) Küche.

Zu Fuß liefen wir zur Aglona Kirche. Dem Ort, an dem vor einer Woche der Papst gestanden hatte.
Nächster Stopp: Velnezers. Überraschung, noch ein See! Ein ganz kleiner, niedlicher, mitten im Wald. Hübsch.

Karla und Truppe vor besagtem See.
Als letztes kutschierten sie uns nach Daugavpils, in eine gut erhaltene Festung, erbaut von Alexander I. (Russland), welche das Mark Rothko Museum und sechs seiner Kunstwerke im Original beherbergt. Er kam nämlich aus dieser Stadt. Eine Führung durch das Museum machten wir alle brav mit. Aber eigentlich hatten wir nur Hunger und wollten schlafen. Das taten wir dann auch, auf der dreistündigen Fahrt zurück nach Riga.

Ein flouriszierendes Pferd in der Festung, als Tribut an die beim Bau verstorbenen Pferde.

~ Wort des Tages: "Zirga smaids". So hieß unsere Bleibe mit den Holzhütten und hat die tolle Bedeutung 'Pferdegrinsen' (horse's smile, um noch genauer zu sein).


Karla