Mittwoch, 28. Oktober 2015

Extreme Erfahrungen

Guten Tag euch allen,

ich habe einen fantastischen Urlaub hinter mir, an dem ich euch natürlich teilhaben lassen werde.

Am Dienstag morgen fuhren wir fünf Freiwilligen mit dem Bus aus Tunja los. Als wir ein paar Stunden später bei einem Zwischenstopp ausstiegen stieg die Laune deutlich, denn – whoa, Sommer! Wärme! Da kamen gleich Urlaubsgefühle auf. Nachmittags in San Gil angekommen, bezogen wir erst einmal unser Sechserzimmer in dem sympathischen und sehr schönen Hostel 'Bacaregua' und hießen Dominik (anderer Freiwilliger) willkommen, der erst dort zu uns stieß.
Hier ein Eindruck des Hostels. Ich finde es total super.



Am nächsten Tag wurden wir pünktlich (!) um 10am am Hostel abgeholt und im Minibus zum Fluss Suarez gebracht. Dort kann man nämlich Rafting machen, das ließen wir uns nicht entgehen. Mich begeisterte schon auf der Hinfahrt die umliegende Natur. Überall krass grüne Berge mit exotischen Büschen und Bäumen. Angekommen und mit Schwimmweste sowie Helm und Paddel ausgestattet, machte uns ein Guide erst einmal mit seiner halbstündigen Sicherheitseinführung Angst. Er sprach wirklich jedes Szenario durch (rausfallen und festhalten, rausfallen und nicht festhalten, rausfallen mit Paddel, rausfallen ohne Paddel... Ich glaube es wird klar).
Eine Ewigkeit später durften wir todesmutig in unsere Schlauchboote kraxeln und lospaddeln. Eigentlich ist das Ganze idiotensicher – man sitzt an seinem angewiesenen Platz auf dem Rand des Bootes und paddelt vorwärts bzw. rückwärts bzw. hört auf zu paddeln, wenn der Guide hinter einem es befiehlt. Und wenn man droht, herauszufallen, krallt man sich an einem Seil fest.
Ich weiß nicht, warum Menschen es so toll finden, in einem mit Luft gefüllten Plastik-Gummi-Gefährt von Stromschnellen herumgewirbelt zu werden und dabei jedes Mal beinahe herauszufallen. Aber Fakt ist – es macht total viel Spaß. Ehrlich.
Zu unserem Entzücken durften wir alle zwischendurch, auf einer ruhigen Etappe, schwimmen gehen. Sehr entspannend, sehr erfrischend. Außerdem konnten wir so endlich vernünftig die Landschaft bewundern. Die kann ich gar nicht in Worten beschreiben und auch nicht auf Fotos festhalten. Jedenfalls grün bis zum Gehtnichtmehr, total unberührt und eine unglaubliche Ruhe ausstrahlend.


Karla unten links.
Schwimmen in der braunen Suppe.
Artistisches Reinspringen in die braune Suppe.

Da hinten werden wir gerade herumgeworfen.
Der folgende Tag begann mit einem leckeren Pfannkuchenfrühstück in dem halboffenen Innenhof des Hostels.


Gegen Mittag taten wir uns eine 1,5 stündige Busfahrt zu den Wasserfällen Juan Curí an. Antun deshalb, weil die Strecke eine einzige Baustelle ist und wir herumgeworfen wurden wie Kieselsteine. Es folgte eine halbstündige Wanderung durch Hitze und grüne Wälder. Dann waren wir endlich da. Fantastisch. Seht selbst.

Auf dem Weg zu den Wasserfällen.

Es mutet urwaldig an.

Cascadas de Jaun Curí.


Viel zu schön!

So etwas hat man in Deutschland einfach nicht. Ich war ziemlich begeistert.

Abends ging es mit dem Bus weiter nach Bucaramanga, einer größeren ebenfalls warmen und für Extremsport bekannten Stadt.
Das Hostel 'Kasa Guana' kann sich schönheitstechnisch nicht mit dem vorherigen aus San Gil messen, hat aber eine coole Dachterrassenbar mit vegetarischen Empanadas und gratis Billardtisch (!). Da chillten wir dann abends nach hart erkämpftem Abendessen (hier isst man halt nicht wirklich zu Abend, deshalb hat fast alles zu).

Der Freitag begann wieder mit Pfannkuchen, für die wir extra Eier und Mehl im Bus mitgenommen hatten. Unseren ursprünglichen Plan, Paragliding zu machen, mussten wir wegen zu vielen Wolken auf Samstag verschieben. Stattdessen fuhren wir in den Park Chicamocha.
Dieser ist ein sehr touristisch aufgemachter Berg (mich erinnerte er ans Phantasialand) mit Restaurants, Trampolins und sogar einem Wasserpark. Das Ganze umgeben vom Canyon Chicamocha.

Wir sechs vor dem Canyon Chicamocha.
Karla ist die Auffallende.
Fand ich persönlich zwar hübsch, aber da haben mich die Wasserfälle doch mehr umgehauen. Es ist eben einfach überall Berg mit Schlucht. Für die wohlhabenden Touristen gab es zudem Attraktionen wie eine Riesenschaukel, unter der es 200m runter geht und eine Seilrutsche über selbigem Abgrund.

Mit drei Stunden Schlaf, weil wir am Freitag Abend noch weg waren, ging es Samstag in die Lüfte. Das Wetter spielte mit und wir alle durften 20min lang paragliden.
Es ist überraschend unspektakulär.
Man sitzt einfach auf keine Ahnung wie vielen Metern Höhe in diesem Gefährt herum und hat das Gefühl, sich mit 2 km/h vorwärtszubewegen. Was man natürlich nicht tut, weshalb mein Kopf nach zehn Minuten auch entsprechend verwirrt war und mir den Rest des Flugs etwas schlecht war.
Aber die Aussicht ist super. Auf die gesamte Stadt Bucaramanga, den daneben liegenden Wald, die anderen Paraglider und gigantische Grundstücke von Leuten mit zu viel Geld.
Insgesamt war das paragliden eine interessante Erfahrung und optisch auf jeden Fall den Schwindel wert. Das Rafting fand ich allerdings spaßiger.
Nach dieser letzten Aktivität ließen wir uns alle erschöpft in den Bus fallen und holten Schlaf nach. Gegen Mitternacht waren wir zurück im schockierend kalten Tunja.


Bucaramanga mit Paraglidern wie bunte Vögel.

Übrigens hatten wir die letzten drei Tage kein Wasser. Nicht so schön. Gottseidank kam gestern Abend wieder welches.

 ~ Wort des Tages: „incertidumbre“. Dieses Wort heißt Ungewissheit und ich feier es, einfach wegen des 'dumbre'. Auf Kolumbien kann man es insofern beziehen, dass man normalerweise ohne ausgefeilten Plan in den Tag hineinlebt.

Hasta luego,
Karla


Letzte Woche konnte man um die Mittagszeit dieses ungewöhliche Phänomen beobachten. Ein perfekter Kreis aus Licht um die Sonne herum. Leider konnte mir keiner sagen, wie sich das nennt. UPDATE: Es war ein Halo.

Beim Grillen mit Yulys Familie.

Bergbesteigung zum 'Piedra del Sol'. Alle voll fertig. Nach der Hälfte des Weges.

Angekommen am 'Piedra del Sol', also Sonnenfels.

Ich wusste nicht, dass wir hübsche Fotos machen.


Montag, 5. Oktober 2015

Mit Geige, ohne Wasser - mit Feiern, ohne Schlaf


Buenos días!

Es sind Ferien und eigentlich habe ich gar keine Zeit zum Blogschreiben, aber ab morgen bin ich im Urlaub, also muss ich vorher einfach noch berichten, was alles so passiert ist.

In aller Freundschaft
Am vorletzten Freitag begab ich mich wie gewohnt gegen 9am in die Grundschule, bereit, mich der Fünften, Nullten und Dritten zu stellen. Musste ich zu meiner Begeisterung jedoch nicht.
Am vorhergegangenen Wochenende war nämlich der 'día de amor y amistad', also der Tag der Liebe und Freundschaft. Und wenn man schon einmal so einen Tag hat, dann feiert man den auch gebürend. Wenn auch eine Woche später.
Es gab zwei Tanzaufführungen, ein kleines Theaterstück zum Thema Freundschaft und unausweichlicherweise eine Rede des Direktors. Außerdem wurden bestimmt eine Viertelstunde lang Hymnen gesungen. Die Kolumbianer stehen auf Hymnen. Es gibt ja auch für alles und jeden eine. Begonnen wurde mit der Nationalhymne. Easy. Es folgte die Hymne des departamentos (quasi Bundesland) Boyacá.
'Hat NRW eine Hymne?', drängte sich mir die Frage auf. Diese war schnell vergessen, denn nun stimmte man die Hymne Cucaitas an. Cucaitas! Das ist ein 2000-Seelen-Dorf! Man stelle sich vor, mein Dorf Hersel hätte eine Hymne. Witzig. Nun konnte mich nichts mehr umhauen, also hängten die Schüler_innen gleich noch die Schulhymne dran.
Nach dieser Veranstaltung, an deren Ende an alle (inklusive Lehrerinnen und Direktor) Lutscher verteilt wurden, fanden sich alle Lehrerinnen und Karla im Lehrerzimmer ein und aßen zusammen Suppe, die eine Kollegin mitgebracht hatte. Naja gut, für mich gab's einen super Obstsalat, da die Suppe selbstverständlich Hühnchen beinhaltete. Das war ein sehr nettes Beisammensein. Ich wurde fleißig über mein Vegetariersein ausgefragt. Das ist wahrscheinlich das Exotischste an mir hier.
Darauf folgen zehn Minuten Tierpantomime mit den Fünftklässlern und ein bisschen Unterhalten mit selbigen, während zwei Zahnärztinnen Zahnputzzubehör verteilten.
Auf dem Weg über den Schulhof, zurück in mein ruhiges Zuhause, bestürmte mich eine Gruppe Drittklässler (?) und bestand darauf, mir einen Haufen Süßigkeiten zu schenken.

Die Tänzer_innen trugen sogar eigens dafür angefertigte Kostüme!
Anerkennung für besondere Leistungen

Hot 'n cold
Kurz etwas über Kolumbianer beschäftigende Nachrichten. Es gibt momentan eine Meeenge (Wald-) Brände, Dürre und kein Wasser. Es ist einfach in den meisten Teilen Kolumbiens gerade sehr trocken (also hier hat es seit ich angekommen bin geschätzt drei Mal geregnet), das ist normal. Die Brände seien auch normal. Nur das Fehlen des Wassers kann eigentlich nicht sein, denn wie ich vorgestern gelernt habe, ist Kolumbien das sechst wasserreichste Land der Erde (Nummer eins ist Brasilien, Deutschland wird gar nicht erst erwähnt). Dieses Wasserproblem sei allein auf eine miese Politik und Korruption zurückzuführen, sagte man mir.
In anderen Teilen allerdings werden Städte überflutet und im Fernsehen sieht man weggespült werdende Autos und Busse. Sehr sarkastisch.

Berufsmesse auf Basketballfeld
Vor einer Woche, am Montag, fand in der Secundaria die dritte 'feria regional emprenderista' statt, etwas, das ich als eine Art Berufsmesse verstanden hatte. Stellte sich heraus, dass eigentlich nur (sehr süßes) Essen verkauft wurde. Was sagt uns das über die berufliche Zukunft meiner Schüler_innen?
Die Messe wurde von den 10. und 11. Klassen meine Schule San Felipe organisiert (Zwölfte gibt’s nicht), an den Ständen fanden sich zusätzlich noch Kollegen drei verschiedener benachbarten Schulen. Was mir positiv auffiel, waren einmal die Abtrennungen der Stände. Sie bestanden nämlich aus Plastikflaschen. Außerdem gab es einen sehr interessanten Stand, der 'upcycelte' Gegenstände aus Autoreifen verkaufte. Nicht so gut gefielen mir persönlich die 'Tierstände', an denen man lebende Hühnerküken, Meerschweinchen und Kaninchen (zum späteren Verzehr) erstehen konnte.

Oben links ein Gewächshaus aus Plastikflaschen!

Wochenende
Am Freitag fand mal wieder ein Treffen mit Koordinatoren, Mitfreiwilligen und zwei ehemaligen Freiwilligen in Tunja statt. Um 5pm. Ungünstig, da die letzten Busse nach Cucaita um 7pm abfahren und man die laut meiner Familie an einem Freitag Abend auch lieber meiden sollte (wegen alkoholisierter Mitmenschen). Also quartierte ich mich bei Edward, meinem Kollegen ein und wir gingen zusammen gefüllte Arepas essen (ich würde sie schon fast als die kolumbianischen Döner bezeichnen) und danach mit seinen Freunden feiern. So langsam lerne ich auch, die verschiedenen Musikstile zu unterscheiden (also so Salsa, Vallenato, Bachata, Reggeaton...).
Am nächsten Tag fuhren wir mit seiner Mutter und seinem Bruder Daniel nach Duitama, wo wir alle etwas geschafft im Haus herumhingen und ein paar nortamerikanische Serien suchteten. Am Abend ging es mit zwei Freunden Edwards in das nächste Städtchen Tibasossa. Total hübsch! Wir verbrachten einige Stunden in einem Restaurant mit tollem Ausblick, ich brachte allen 'Ich heiße' bei und erklärte die schwierigen drei Artikel der deutschen Sprache. Auf Spanisch, nicht einfach.

Das Rathaus Tibasossas mit allen Bürgermeisterinnen und den zwei Bürgermeistern, die jemals dort im Amt waren. Das Besondere ist nämlich, dass es eben fast nur Frauen waren und sind.
Mit den Bürgermeisterinnen. Ich bin mir der (be-) rauschenden Qualität bewusst.

Mit super Ausblick vom Restaurant.

Neue Klänge
Seit Donnerstag habe ich eine Geige! In Villa de Leyva, wo Marla und Hauke wohnen, gibt es eine Musikschule, die mir einfach eine Violine mitgegeben hat. Unter der Bedingung, dass ich mindestens ein- bis zweimal im Monat am Unterricht teilnehme. Dieser ist kostenlos. Die Geige auch. Da könnte sich Deutschland eine Scheibe von abschneiden! Einzig die Anfahrt ist mir etwas zu zeit- und kostspielig, also werde ich meine Teilnahme an Unterricht und Streichorchester auf ein Minimum begrenzen und lieber zuhause meine Familie mit dem Geigenspiel erfreuen.


Wie schon erwähnt geht es morgen los, das Land erkunden. Zusammen mit fünf der anderen Freiwilligen werde ich zwei Tage in San Gil und zwei Tage in Bucaramanga (nord-östlich von hier aus) verbringen. Diese Orte sind für Schönheit, Wärme und Extremsport bekannt. Davon werdet ihr natürlich hören.

~ Wort des Tages: „chistoso“. Das heißt witzig und man hört es dauernd. Da ich seit dem Kennenlernen der Känguruchroniken eine Tendenz dazu entwickelt habe, übermäßig Vieles mit 'witzig' oder 'nicht witzig' zu kommentieren, kommt mir dieses spanische Wort sehr gelegen.

Hasta luego,
Karla

Ausblick auf die Terrasse, mit Mercy. So heißt unsere Hündin jetzt nämlich. Schwer zu erraten, wessen Vorschlag der Name war.
Ganz normaler Anblick auf einem Spaziergang durchs Dorf.

Mit Milena und Yuly (letztere Nachhilfeschülerin, erstere ihre Schwester)