Mittwoch, 2. Dezember 2015

Was macht Karla da drüben eigentlich?

Buenas ihr Lieben!

Weil gerade Ferien sind und mein alltägliches Leben somit vorerst ein Ende hat, werde ich euch jetzt von ebendiesem erzählen.


5:20
Handy schrillt los, Karla haut drauf und schläft weiter.

5:30
Handy meldet sich wieder, diesmal muss Karla aufstehen. Unter die eiskalte Dusche und so schnell wie möglich wieder raus. Bett und mich fertig machen.

6:20
Karla tapst die Treppe herunter, begrüßt ihre Gastmama und bekommt auch sofort Frühstück serviert (woraus das besteht wisst ihr ja schon).

6:50
Auf geht’s ins colegio. Abstecher zum Dorfbäcker, wenn gerade kein Obst im Haus ist (was öfters vorkommt). Dort wird Karla inzwischen herzlich mit „Buenos días, profe“ gegrüßt.

6:55
Ankunft in der Schule, meist als eine der ersten Lehrer_innen. Erst einmal fleißig das Wi-Fi ausnutzen, bis gegen 7:05 (also fünf Minuten nach Schulbeginn) die Lehrer_innen eintreffen und Karla mit 'ihrem' Lehrer bzw. 'ihrer' Lehrerin in den Unterricht marschiert.
Dort steht sie dann vorne an der Tafel herum und hat je nach Thema und Klasse mehr oder weniger zu tun. Manche Lehrer setzen ihre Assistenz so ein, wie sie gedacht war – herumgehen und Fragen beantworten, Texte vorlesen und das, was Karla am liebsten macht: Aufgaben korrigieren.
Eine Lehrerin überlässt ihr stets den gesamten Unterricht, sodass beide neunten Klassen Dienstags je eine liebevoll vorbereitete Stunde mit profe Karla haben. In diesen Klassen klappt der Unterricht gut und macht Spaß, da (fast) alle sehr interessiert mitarbeiten.

9:00
20 Minuten Pause. Jetzt kann man
  • sich in die Lehrercafetería begeben und bei einem Tinto oder Aromática (quasi Tee) mit den Kollegen quatschen
  • den Laptop auspacken und sowohl E-Mails als auch den aktuellen Wechselkurs checken
  • im Lehrerzimmer bleiben, Obst oder Brötchen essen und sich mit Kollegen unterhalten, die selbiges tun
  • sich um Schüler kümmern, die hilfesuchend ins Lehrerzimmer kommen

11:15
45 Minuten Pause. Die Schüler_innen nehmen ihr Mittagessen zu sich, ein paar der Lehrer auch, Karla nicht. Karla macht das Gleiche wie in der kleinen Pause.

14:00/14:50
Schule aus, Karla geht nach Haus'. Dort ist das Mittagessen bereits fertig, da ihre Gastmama immer für viele Menschen kocht, die mit kolumbianischer Pünktlichkeit um eins auf der Matte stehen.

Nachmittags
Meistens Nachhilfe. Jeden Tag außer Montag und Mittwoch geht Karla entweder zu Yuly oder Julián und Alejandro rüber oder Daniel/Camila/Karen kommen hier vorbei. Je nach Sympathie können sich diese 'clases' auf bis zu vier Stunden ausdehnen.
Mittwochs, wenn Zeit bleibt, nimmt Karla einen Bus nach Villa de Leyva für die allmonatliche Geigenstunde, vor der meist noch ein Treffen mit Marla in ihrem Lieblingscafé drin ist.

19:00
Abends werden dann anstehende Unterrichts- und Nachhilfestunden vorbereitet, zu Abend gegessen und mit der Familie gequatscht. Währenddessen läuft natürlich kontinuierlich der Fernseher, dem man aber nicht obligatorisch Aufmerksamkeit schenken muss.

20:30-21:00
Völlig fertig vom Tag hört Karla noch ein bisschen Musik und pennt dann auch sofort ein.


So sieht also mein Alltag aus, wenn ich drei Mal die Woche in die Secundaria gehe.

Montags und Freitags gebe ich in der Grundschule Unterricht, die von der nullten bis zur fünften Klasse geht. Hier gibt es genau genommen keinen Alltag, da alles ganz fantastisch ungeplant spontan beschlossen wird. Ich komme also mit vorbereitetem Unterricht für alle möglichen Klassen an, da ich zwar einen Stundenplan habe, sich aber keiner an diesen hält. Mein Weg führt mich zuerst auf die Suche nach den Lehrerinnen, damit diese genauso verwirrt wie ich herumfragen können, zu wem ich denn heute gehen soll. Nachdem das geklärt ist, führe ich routiniert meine Stunde durch. Wie bereits erwähnt lassen mir die Lehrerinnen komplett freie Hand in der Wahl des Themas, der Vorbereitung sowie der Durchführung dieser. Deshalb präferiere ich das colegio, das ist weniger stressig.
Allerdings finden in der Primaria überdurchschnittlich oft nicht-unterrichtliche Aktivitäten statt. So gibt es zu allem Möglichen fiestas mit Aufführungen und Singen von mindestens drei Hymnen. Nicht selten bringt eine Lehrerin dann Mittagessen für das gesamte Kollegium mit und man verbringt eine (Unterrichts-) Stunde mit gemütlichem Beisammensein, während die Kinder draußen spielen dürfen.
Zusätzlich zur Unterrichtsverminderung trägt bei, dass alle Kinder gehen dürfen, sobald auch nur eine Klasse von ihrer Lehrerin entlassen wird.
Ist außerdem mal eine Lehrerin krank, so muss ihre gesamte Klasse ebenfalls nicht auftauchen, da sie wirklich nur von dieser einen Person unterrichtet wird. Und ab und zu von Karla.

Die paar Schüler, die jetzt noch in die Schule kommen, beim Tischeaufpimpen. Jeder muss nämlich am Ende des Schuljahrs seinen eigenen Stuhl reparieren.

Wenn sich ansonsten entgegen aller Erwartungen freie Zeit auftut mache ich gerne Spaziergänge durch das Dorf, klettere auf einen der zahlreichen Berge hinauf, chille mich lesend in unsere Hängematte, begleite meine Mamá auf ihre organisatorischen Streifzügen, unterhalte mich mit Estefanía (Tochter unserer Haushälterin) oder schreibe Tagebuch.
Man kann sich außerdem immer sicher sein, von quasi jedem gegrüßt zu werden, der einem im Dorf begegnet. Vor allem wenn ich an einer Gruppe Grundschüler vorbeikomme:
estudiante 1: „Hola profe Karla!“
Karla: „Hola.“
estudiante 2: „Hola profe Karla!“
Karla: „Hola.“
estudiante 3: „Hola profe Karla!“
Karla: :|

 ~ Wort des Tages: "cigüeña". Ich finde das ist ein fantastisches Wort. Es bedeutet Storch und kennen lernte ich es, weil Estefanía mich immer wenn ihr langweilig ist total willkürlich gewählte Worte übersetzen lässt. Auf die Weise hat sie schon enorm ihr Englischvokabular erweitert.

Hasta luego,
Karla



Am Sonntag war uns dreien langweilig, also kletterten wir spontan einen Berg bis in die nächste Vereda (Chipacatá) hoch.

Es gibt zwar einen Weg, aber dem folgten wir nicht, das wäre ja langweilig.


Daniel und Yuly.

Karla und Yuly.

4 Kommentare:

  1. Oh Karla! Du vertreibst meine Langeweile :D Was das colegio angeht - du sprichst mir aus der Seele! Wenn du nicht grad in Kolumbien wärst, könnte man meinen, dass wir den gleichen Job machen :o
    Ganz viel Erfolg noch mit deinen Schülern! Ich verstehe deine Situation mit dem "Hola" sooo - mein Thailänder will mir gefühlt eintausend Mal am Tag High Five geben ._.
    Bloggrüße
    dein persönlicher Phineas ;)
    PS: Saludos zurück von Señora Bieniek und auch liebe Grüße von Perry :'D

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    1. Wir machen ja auch den gleichen Job :D
      Ich kann es mir lebhaft vorstellen, wie er immer mit erhobender Hand auf dich zurennt.
      Ferb

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  2. K a l t e Dusche?? Alle Achtung. Ich drücke Euch doll die Daumen, dass das Wasser bald wieder wesentlich klarer aus der Leitung kommt - ach, das mit dem trüben Wasser hast Du ja auf WhatsApp geschrieben.
    Immerhin habe ich einen Kommentar geschrieben - vielleicht steigere ich mich darin ja noch.
    Lass es Dir gut gehen und hab weiter viel Spaß! Mama

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    1. Ja klar, das bringt den Kreislauf in Schwung.
      Seit heute kommt wieder normales Wasser, ich hab gleich mal 'ne Wäsche gemacht um das zu feiern.

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Ich freue mich immer ueber Kommentare.