Karla hat kein Handy mehr, es wurde ihr gestohlen. Aber reden wir erst einmal über die Uni.
Offiziell begann die Vorlesungszeit schon vor zweieinhalb Wochen,
am 03.09., aber meine Fächer fingen erst die Woche darauf an. Etwas Schonzeit.
Und auch in dieser ersten Uniwoche hatte ich lediglich vier von acht Fächern. Information
Technologies fiel aus, Business Psychology und Management of Cross-cultural
Interaction beginnen irgendwann später, und dann gibt es noch ein Fach namens International
Banking and Financial Markets, welches nur innerhalb der ersten Dezemberwoche
stattfinden wird, dafür dann jeden Tag. Aber immerhin stehen bereits die Klausuren
tages- und uhrzeitgenau fest.
Letzten Montag ging es um Punkt zehn
Uhr los mit Financial Management and Risks. Der Prof, Dr. Ĉirjevskis, präsentiert
alles in monotonem, stark russisch akzentuiertem Englisch, unterstützt von einer
PowerPoint-Präsentation, welche uns mit weißem Text auf schwarzem Hintergrund beeindrucken
möchte. Ich wiederhole: Weißer Text. Schwarzer Hintergrund. Aber obwohl ich
diesen Mittfünfziger in Anzug nur schwerlich verstehe und die Aufmachung seiner
Präsentation mit mangelhaft bewerten würde, ist er mir irgendwie sympathisch.
Keiner weiß, worüber genau, aber ab und zu kichert er vor sich hin, weil er mal
wieder eine besonders amüsante Rechnung ausgeführt oder einen ulkigen
Zusammenhang im Finanzwesen entdeckt hat.
Die Vorlesungen finden hier quasi ausnahmslos in Doppelstunden
statt, und eine Stunde dauert 1,5 Stunden. Dazwischen gönnt man den armen
Studierenden zehn Minuten Pause, ein Mal mittags sogar eine halbe Stunde. Gottseidank
habe ich ausschließlich donnerstags einen kompletten Unitag von 8:20 bis 16:50
Uhr.
Als ich an jenem Montag von Herrn Ĉirjevskis‘
Vorlesung weitertrabe zu Financial Accounting, wird mir langsam bewusst, wie unmenschlich
kurz diese 10 Minuten Pause sind. Ļubova Borisenko
hat ihren Unterricht – ich nenne es bewusst nicht Vorlesung, denn das ist es
nicht – bereits angefangen, als ich mich durch die Tür quetsche und schnell in
der letzten Reihe niederlasse. Der Raum bietet Platz für genau vier Tischreihen, vierundzwanzig Personen. Nicht zu vergleichen mit einer Vorlesung an der Uni Bamberg. Ich
habe Hunger. Aber die Pause reicht nicht aus, um sowohl Essen zu kaufen, als es
auch zu verspeisen.
Die Dozentin arbeitet als „Accountant“ in der Schweiz und ist entsprechend eingebildet. Mit schriller Stimme, aber immerhin verständlichem Englisch, lässt sie uns an ihrem Wissen über Buchführung teilhaben und fragt uns alle zwei Minuten ab. Es ist anstrengend. Ich bin froh, als es vorbei ist, und sie uns mit einem Berg Hausaufgaben entlässt. Ja, es herrscht nicht nur Anwesenheitspflicht, man muss auch Hausaufgaben machen. Ich fühle mich in die Schulzeit zurückversetzt.
Die Dozentin arbeitet als „Accountant“ in der Schweiz und ist entsprechend eingebildet. Mit schriller Stimme, aber immerhin verständlichem Englisch, lässt sie uns an ihrem Wissen über Buchführung teilhaben und fragt uns alle zwei Minuten ab. Es ist anstrengend. Ich bin froh, als es vorbei ist, und sie uns mit einem Berg Hausaufgaben entlässt. Ja, es herrscht nicht nur Anwesenheitspflicht, man muss auch Hausaufgaben machen. Ich fühle mich in die Schulzeit zurückversetzt.
Am Mittwoch begebe ich mich zu English
for Business, lerne absolut gar nichts und beschließe, den Kurs zu wechseln. Im
höheren Kurs war ich dann gestern. Selbe Dozentin, Jeļena, und obwohl sie irgendwie nett ist muss
ich sagen, dass ihr Kurs der wahrscheinlich anstrengendste wird. Man muss eben
akzeptieren, dass sie immer Recht hat und sonst niemand.
Kommen wir
zu einem wirklich erfreulichen Fach. Der Prof, Jurijs Spiridonovs, hat mich
bereits nach den ersten 15 Minuten davon überzeugt, dass European Union mein
neues Lieblingsfach ist. Der Mann arbeitet als Berater für das lettische
Finanzministerium, weiß genau, worüber er redet und gestaltet seine
Veranstaltung sehr interaktiv, mit Fragestellungen, Gruppenarbeiten und Diskussionen.
Ich habe das Gefühl, dass in diesem Kurs auch die meisten Nationalitäten
vertreten sind. War ich bisher nur mit Letten, Russen und ein paar Deutschen in
einem Raum, so besteht meine Gruppe hier aus Franzosen, Georgen und zwei
anderen Nationalitäten, an die ich mich nicht mehr erinnern kann. Und der Kurs
ist vor allem eines: aktuell. Man merkt, dass Jurijs die Präsentation jedes
Jahr erneuert, um die neuesten politischen Vorgänge mit einzubinden. So stehen
uns zum Beispiel Diskussionen über den Brexit und die Flüchtlingskrise bevor.
Ich bin eine Sehenswürdigkeit! |
So. Und jetzt zum Handy.
Am Sonntag machte sich eine
Truppe fast nur Deutscher auf nach Sigulda. In Sigulda selbst gibt es nicht
viel zu sehen, aber der Nationalpark drumherum und einige Burgen luden zum Wandern
ein. Wir wanderten also zwischen Burgen und Höhlen umher, quälten uns endlose
Stufen herauf und pflückten Äpfel im Auenland. Gerade hatten wir den Eintritt
für die zweite Burg bezahlt, da fiel mir auf, dass mein treuer Gefährte Legolas
– mein Handy – nicht mehr da war. Anrufen bestätigte uns – jemand hatte es
ausgestellt. Nun ja, so habe ich auch einmal eine lettische Polizeistation von
innen gesehen. Hätten wir das auch abgehakt. Legolas werde ich jedoch höchstwahrscheinlich
nicht zurückbekommen, sodass ich mir nun das neue Shiftphone zu Weihnachten
schenken werde.
In der ersten Burg. |
Die böse Burg, wo Legolas verschwand. |
Falls ihr noch nicht wusstet, wie die lettische Flagge ausschaut. |
Sigulda hat schon einen schicken Bahnhof. |
~ Wort des Tages: Gibt es heute leider nicht. Mir fehlen die Worte. Sie wurden mir gestohlen.
(Wurden sie wirklich. Ich hatte eine Liste lettischer Worte auf meinem Handy.)
Karla
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