Guten Morgen, ein letztes Mal aus
Kolumbien
In einer Woche bin ich gerade auf dem
Weg nach Bogotá, zum Flughafen, und morgen in einer Woche bin ich
gerade in Frankfurt angekommen. Die Melancholie des
nicht-gehen-Wollens hat mich eingeholt.
Unvergesslich machen
Vor einer Woche waren Fiestas in
Cucaita. Laura und Karla wären nicht Laura und Karla, wenn wir diese
nicht vernünftig genutzt hätten, um uns gebührend bei unseren
Cucaitanern zu bedanken.
Wir hatten also ein Lied geschrieben.
Nein, das trifft es nicht ganz. Wir hatten sechs Lieder
umgeschrieben. Aus jedem hier signifikanten Genre hatten wir ein Lied
herausgesucht, dann ein Mashup zusammengeschnitten und einen neuen
Text daraufgedichtet. Das fertige Werk wurde dann im Ecuadorurlaub
bis zum Umfallen geübt und auch eine kleine Choreographie
einstudiert. Wenn schon, denn schon.
Am Sonntag um 10.30pm, als der
Dorfplatz gut gefüllt war, spazierten wir zwei dann auf die Bühne
und sangen und tanzten unser Lied „Qué Gracias Sumercé“.
Und auch wenn wir definitiv schon
einmal besser gesungen hatten und uns selbst fast nicht hörten waren
die Dörfler angemessen begeistert. Als wir von der Bühne kamen,
durften wir eine Menge Fotos mit einer Menge mir nicht immer
bekannter Leute machen.
Falls euch interessiert, wie das so
aussah – es ist bereits auf Youtube (der Ton wird im Verlauf des
Lieds besser):
In
dem Lied erzählen wir davon, wie unsere Familie anfangs gegen
Kolumbien war, wir uns aber durchsetzten und in Cucaita viele tolle
Leute kennenlernten und uns in dieses kleine Dörfchen verliebten.
Hier und da machen wir ein paar Anmerkungen zu diversen Bier- und
anderen Alkoholsorten. Wir zählen ein paar wichtige Orte des Dorfes
(Bäckerei, Apotheke, Polizei, Rathaus), sowie typische Leckereien
auf.
Dann
gehen wir zu unserer Arbeit über. Sowohl Grundschule und
Weiterführende als auch die Bibliothek wurden von uns besucht, und
in einer herzzerreißenden Zeile singen wir, wie gut uns doch die
Schulen gefallen und wie lieb wir die Kinder gewonnen haben.
Wir
fügen hinzu, dass wir Spanisch schnell erlenen würden, und dann
kommt ein Rapteil, den wir zum größten Teil auf deutsch
durchziehen.
Das
folgende Lied besteht aus einer Aufzählung an Früchten und Orten,
die wir hier kennenlernten. Auch die Musik darf natürlich nicht
fehlen, also geben wir zu, wie gut uns Latinomusik gefällt und gehen
dann zum tiefgreifenderen Teil über. Hier erzählen wir, dass wir
nicht gehen wollen. Wir geben den Cucaitanern das Versprechen, sie
nie zu vergessen, laden sie nach Deutschland ein und fügen hinzu,
dass wir wiederkommen werden. Das Lied endet mit einem „se acabó“
- es ist vorbei.
Das hier zeigt ziemlich gut, was wir eine halbe Stunde lang machten. |
Fiestaas! |
LKW-Fahrer verursachen Krise
Seit über einem Monat befinden sich
die LKW-Fahrer im Streik und seit ein paar Tagen sind die
Auswirkungen deutlich zu spüren. Da es kein Bahnsystem gibt wird
alles, wirklich alles, über diese Vehikel transportiert. Die Folgen
des nicht-Arbeitens der 'camioneros' (der LKW-Fahrer) sind kein
Benzin und Mangel an Lebensmitteln (und folgerichtig steigende
Preise). Auf dem Land kann man immer noch Obst, Gemüse und Milch von
den Nachbarn beziehen, die bauen ja alles lokal an. In der Stadt gibt
es mehr Vorräte, nur von Joghurt und Toastbrot habe ich gehört,
dass sie in ein paar Supermärkten knapp werden.
Seit gestern gibt es außerdem keine
Schulbusse mehr, die meine Schüler aus den Nachbardörfern
herankarren. Es fehlt eben das Benzin. Und auch Lehrer fehlen, da sie
von weiter weg kommen und es keine Transportmöglichkeit mehr gibt.
Jetzt gerade hätte ich eigentlich Unterricht, aber profe María hat
es nicht nach Cucaita geschafft.
Laura und ich wollten mehr über die
Motive der Camioneros wissen, also gingen wir zum Ortseingang, wo die
Camioneros Cucaitas gemeinsam mit ihren LKW die Tage und Nächte
verbringen, und ließen einen von ihnen erklären:
„Initiiert wurde dieser Streik, da
wir quasi unbezahlt arbeiten. Wir Camioneros werden pro Tonne
bezahlt, die wir transportieren. Verrechnet mit den Ausgaben, die wir
für die Fahrt haben (Benzin, Instandhaltung, Maut), kommen wir mit
unserer Arbeit nicht ins Plus.
Zudem hatte die Regierung einen Fond
eingerichtet, um die alten LKW durch neue zu ersetzen. Es war auch
genug Geld da, aber plötzlich reichte es doch nicht aus. Ich schiebe
das auf die Korruption.
Wir kleinen Leute haben außerdem Angst
vor den großen Firmen, die ins Land gebracht werden. Sie nehmen uns
die Arbeit weg.
Ein weiterer Punkt sind die
Mautgebühren. Die Mautstellen und ihre Preise erhöhen sich in
ungerechtfertigtem Maße. Auf der 120km-Strecke von Tunja nach Bogotá
muss ich durch 3 Mautstellen, wer soll das denn bezahlen?
Wir Camioneros halten hier Tag und
Nacht Wache, in Schichten, um Präsenz zu zeigen. In dem Zelt haben
wir sogar eine Art Küche, in der wir Mahlzeiten für alle
zubereiten. Wir stehen zwar unter ständiger polizeilicher
Beobachtung, auch von 'undercover' Polizisten, aber wir hatten bis
jetzt nicht eine Auseinandersetzung. Es geht alles sehr diszipliniert
zu.
Eigentlich wollen wir nicht streiken,
aber wir werden weitermachen, bis die Regierung endlich etwas macht.
Bis wir zu einem Einverständnis kommen und eine eindeutige Lösung
gefunden wurde. Letztes Mal haben sie uns nämlich betrogen und
falsche Versprechungen gemacht.“
Soweit die Meinung eines sich im Streik
befindenen LKW-Fahrers.
Die Regierung scheint nicht gewillt,
nachzugeben. Manuel Santos, der Präsident Kolumbiens, rief gestern im
Fernsehen die Camioneros auf, die arbeiten wollen, dies zu tun. Ein
paar LKW fahren tatsächlich, allerdings immer begleitet von einem
riesigen Polizeiaufgebot.
Inzwischen machen wir Freiwillige uns
vor allem Sorgen um unseren Rückflug. Wie sollen wir nach Bogotá
kommen?
Der Streik in Cucaita |
~ Wort des Tages: „pelado“.
Gepellt sein. Ein volkstümliches Wort für pleite, und das bin ich
gerade, da ich so wenig wie möglich abhebe. Denn was will ich in
Deutschland mit kolumbianischen Pesos?
Dies war mein letzter Post aus
Kolumbien, meiner neuen Heimat. Ich werde schon ganz melancholisch.
Lieber aufhören.
Chao,
Karla