Dienstag, 24. Mai 2016

Eigenartige Angewohnheiten II

Buenas!

Da es noch viel mehr Besonderheiten in der kolumbianischen Kultur gibt, muss ich dazu einfach noch einen Post schreiben.

Pyjama
Meinen Nachbarn ist es komplett piepegal in was für einem Aufzug sie auf die Straße gehen. Am beliebtesten neben 'normaler' Kleidung oder Ruana ist der Schlafanzug. Wenn ich mich morgens auf den Weg zur Schule mache, passiert es öfter, dass eine Nachbarin in Pyjama die Straße kreuzt, um ihre morgendlichen Einkäufe zu erledigen. Und diese Pyjamas sind nicht irgendwelche Pyjamas. Nein, die kolumbianische Schlaftracht ist immer superflauschig und mit Tiermuster. Vorzugsweise mit Kuhflecken.
Bei mir zuhause schliefen während der Fiestas zwei Polizisten. Soweit normal. Aber seit ich einen der beiden in seinem Plüschkuhschlafanzug gesehen habe, musste er leider etwas von seiner Autorität einbüßen.


Namen
So wenig Englisch manche Kolumbianer*innen auch sprechen mögen, bei der Namensgebung ist ein ganz eindeutig nordamerikanischer Einschlag zu beobachten. Das Witzigste für mich ist die Schreibweise, die sich von der ursprünglichen unterscheidet, um der spanischen Aussprache gerecht zu werden. Ein paar Beispiele:
Deivid (David)
Brayan (Brian)
Leidy (Lady, obwohl das im Englischen ja kein Name ist)
German (Hermann)
Deisy (Daisy)
Dayana (Diana)
Estiben (Steven)
Ros Mary (Rosemarie)
Yeison (Jayson)
Esneider (ehm.. Schneider? Deutsch?)
Maickol (Michael)

Ansonsten sehr beliebte Namen sind Cristian, Sebastian, Daniel, Camilo, Karen, Juan, José.
Insgesamt habe ich das Gefühl, dass die Auswahl an Namen hier kleiner ist. Gut also, dass jeder zwei Vor- und zwei Nachnahmen hat. In meiner 10.1 habe ich sage und schreibe fünf Sebastians.
Wollt ihr auch noch verbreitete Nachnahmen hören? Das ist schwierig, denn irgendwie sind es immer dieselben. Ich versuch's mal.
Bolívar
Borda
Firacative (find ich persönlich voll cool)
García
Pérez
La Rotta (auch einer meiner Favoriten)
Martínez
Álvarez
Echeverría/Chavarría/Cheverría
Contador
Pulído
Castillo
Sierra
Otálora

Und damit kann man schon ein ganzes Dorf ausstatten.


Mein Geburtstag? Keine Ahnung
Etwas, das ich erst mit der Zeit herausfand, ist, dass manche Kolumbianer*innen niemandem ihr exaktes Geburtsdatum verraten werden. Vor allem die Kinder nicht. In einer Stunde mit der siebten Klasse sollten sie einen Minidialog schreiben, mit den Fragen 'Wie heißt du?', 'Wie alt bist du?' und 'Wann ist dein Geburtstag?'. Die Antwort Vieler war etwas wie 'Mein Geburtstag ist am __ März'. Ich konnte zuerst gar nicht verstehen, warum sie die Zahl einfach ausließen. Erst später, als ich Daniel nach seinem Geburtstag fragte, erklärte er mir dieses Phänomen. Sein Geburtsdatum wissen nämlich auch nur seine Eltern. Er präferiert es, das Datum geheim zu halten, da es wohl ein beliebter Brauch ist, das Geburtstagskind an dem Tag mit allem Möglichen einzuseifen. Sprich, Eier, Mehl, Torte, was gerade da ist. Da ist Geheimhaltung eine relativ einfache Art, dies zu umgehen.


Der 15. Geburtstag
Um die Verwirrung komplett zu machen, wird jedoch der 15. Geburtstag eines jeden Mädchens riesig gefeiert. Weil sie dann als Frau gilt. Und wenn ich riesig schreibe, dann reden wir von dem Aufwand und Tamtam einer Hochzeitsfeier. Das Mädchen (genannt „Quinceñera“) bekommt ein Kleid wie zu einer noblen nordamerikanischen Prom (bodenlang und mit Reifrock), mietet sich einen Saal und feiert darin mit allen Freunden, Familienmitgliedern und Bekannten. Es gibt einen dreistöckigen Kuchen und im besten Falle hat das Geburtstagskind fünfzehn „Damas“ und ebenso viele „Caballeros“ an ihrer Seite. Das sind fünfzehn Freundinnen und fünfzehn Freunde, die sich alle das gleiche anziehen (wie Brautjungfern) und mit denen die „Quinceañera“ jeweils einen Tanz bestreiten muss (also mit den Jungs).

Warten vor der Kapelle.

Ich hatte das Glück, vor ein paar Wochen selbst einer solche Feier beiwohnen zu dürfen. Mireya, eine Neuntklässlerin, hatte Laura und mich eingeladen.
Auf der Einladung stand „5pm Messe“, also waren Laura und ich um zehn vor fünf an der
angegebenen Kapelle in Samacá (Nachbardorf). Sonst war da aber keiner. Wir waren etwas verwirrt, warteten aber geduldig und genossen Sonne und Ausblick.
Fünf Minuten nach fünf trudelten Mireya und ihre Eltern ein, wir setzten uns in die Kirche und hielten mit ca. 30 Personen die kurze Messe ab. Danach ging es zum Saal und nun hieß es warten. Zwei Stunden lang. Bis endlich die restlichen messefaulen Gäste eintrafen und es losgehen konnte.
Die fünfzehn Caballeros wurden in einer Schlange den Damas gegenübergestellt, sodass sie einen Gang bildeten. Das alles nach Größe geordnet, sodass ich als größte ganz am Anfang stand.
Bis zu diesem Punkt war die Quinceñera in legerem Jeanskleid herumgelaufen und wir hatten uns etwas overdressed gefühlt. Damit machte Mireya durch ihren Auftritt Schluss. In einem 'Traum' aus hellblauen Tüll schritt sie (etwas eingeschüchtert) durch den menschlichen Gang. Sie wurde beklatscht, und dann ging die Prozedur des mit-15-Typen-Walzer-Tanzens los.
Das geht so:
Der mir gegenüberstehende Typ lässt mich stehen, gibt Mireya eine Rose und tanzt ein bisschen (einfachen Wiegewalzer) mit ihr. Dann übergibt er sie an den nächsten Caballero in der Reihe, der ihr ebenfalls eine Rose gibt und mit ihr tanzt, und tanzt den Rest der Zeit mit seiner ursprünglichen Partnerin, mir. Das geht so weiter, bis die Quinceñera mit allen 15 getanzt hat und 15 Rosen in der Hand hält. Fand ich sehr ausgeklügelt und interessant.
Alle fünf Minuten forderte der DJ uns außerdem zum für-Mireya-Klatschen auf.
Anschließend stieß man auf das Geburtstagskind an und es gab kleine Reden, während die Quinceñera selbst etwas verloren und sichtlich berührt in ihrem Thron am Kopf des Saales saß.
Endlich gab es Essen. Wir waren am Verhungern. Natürlich bestand es zum größten Teil aus Fleisch, weshalb mir ein Salat versprochen wurde (Wie immer. Weil Vegetarier*innen ja nichts anderes essen können). Dieser kam leider nie, jemand anderes hatte ihn aufgegessen.

Die Quinceñera.

Karla und Laura mit quinceñera.

Fünf Kuchen und eine Geschenkebox.

Nachdem sich alle außer Karla gestärkt hatten, ging die eigentliche Feier los. Mireya wandelte ihr Kleid zu einem Cocktailkleid um (einfach Reifrock abnehmen, sehr praktisch) und es wurde getanzt. Um Mitternacht schnitt man die fünf weiß-hellblauen Kuchen an (muss ja zum Kleid passen), aß sie auf und tanzte dann weiter. Gegen zwei Uhr ließen Laura und ich uns von einem befreundeten Taxifahrer abholen, der Rest blieb aber noch bedeutend länger.
Fazit: Eine sehr interessante Erfahrung und gute Feier mit lustigen Leuten (meinen Neuntklässler*innen). Allerdings wird wirklich viel Geld für dieses Event ausgegeben. Ich stehe also voll hinter den paar Kolumbianerinnen, die sich statt einer solchen Feier eine Reise zum 15. wünschen.


~ Wort des Tages: „damnificado“. Diesmal nichts Witziges. Ein damnificado ist ein*e Geschädigte*r in einer (Natur-) Katastrophe, wie gerade in Ecuador aktuell.

Hasta luego,
Karla

Wenn man auf einen Berg klettert, um zu filmen, und plötzlich einen Tafeledding in seiner Tasche findet. ~justteacherthings

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