Mittwoch, 26. August 2015

Von Krise und Kindern

Hola ihr Lieben!

Im kolumbianischen Fernsehen, vor allem auf dem Kanal Caracol, laufen quasi konsekutiv Nachrichten. Die sind auch das Einzige, was meine Familie ernsthaft guckt. Und wenn es eines gibt, das in jeder Nachrichtenmeldung auftaucht, dann ist es die brandaktuelle kolumbianisch-venezolanische Grenzkrise.
Die kolumbianischen Medien berichten natürlich etwas einseitig, weshalb ich mir das Thema auch noch von anderen Quellen (sprich Internet) erläutern lassen habe. Liege ich damit richtig, dass man in Europa nichts davon hört?
Deshalb hier eine kurze Erklärung, denn diese Krise bewegt gerade viele Kolumbianer:

Am Freitag ließ der venezolanische Präsident Nicolás Maduro die Grenze zwischen seinem Land und Kolumbien schließen (ursprünglich nur bis Sonntag, inzwischen unbefristet) und in Bezirken des Bundesstaates Táchira den Ausnahmezustand ausrufen, als Reaktion auf einen Angriff angeblicher kolumbianischer Schmuggler auf venezolanische Soldaten. Venezuela habe nämlich schon seit längerem Probleme mit Schmugglern, die eigentlich für Venezuela bestimmte Lebensmittel und Benzin nach Kolumbien verfrachten und dort teurer verkaufen.

Ausweisung der Kolumbianer aus Venezuela (Foto: peru.com)

Im Zuge dieser Grenzschließung werden nun (wo man schon einmal dabei ist) kolumbianische Bürger ohne Papiere ausgewiesen. Innerhalb von wenigen Minuten müssen sie ihre Häuser räumen und rüber nach Kolumbien laufen oder fahren. Das führt zu interessanten Bildern im hiesigen Fernsehen: Durch Gestrüpp wankende Kühlschränke, unter denen man ihre Besitzer nur vermuten kann und Menschen, die ganze Sofas auf Karren hinter sich herziehen und fette Fernsehgeräte und sogar massive Schränke auf den Schultern durch einen Fluss transportieren. Noch etwas krasser und von den Medien hier definitiv aufgebauscht: das Markieren von Häusern kolumbianischer Exbewohner Venezuelas und die darauf folgende Zerstörung dieser Unterkünfte. Die Nachrichten verlieren sich dann auch mal gerne in Vergleichen mit Deutschland zu Nazizeiten.
Einen schalen Beigeschmack erhält das Ganze auch durch die Bilder weinender Kinder an der Grenze, die nicht mehr zurück zu ihren Eltern können.
Jedoch können aus venezolanischer Sicht Erfolge vermeldet werden: Es wurden bereits 56 Tonnen an Schmugglerware beschlagnahmt (Stand: 24.8.15) und ein paar Festnahmen von mutmaßlichen Mitgliedern paramilitärischer Banden gab es auch.
Auffallend ist, dass viele ausreisende Kolumbianer kolumbianische Fußballtrikots oder sonstiges Landbezogenes tragen, um ihren ungebrochenen Nationalstolz zu zeigen.


 
Hier ein kleines Video von dem Festival de danzas in Cucaita

So, tut mir leid falls das langweilig für euch war, aber ich fand es wichtig.
Außerdem wichtig: meine ersten Schultage!
Am Montag Morgen holte mich Natalia (kolumbianische Mentorin) um 8am ab und wir liefen die 300m zur Schule (colegio San Felipe). Gemeinsam mit dem Bürgermeister, den ich bereits letzten Mittwoch kennengelernt hatte, trafen wir dann auf den Schulleiter. Bürgermeister und Direktor tauschten Informationen über meine Bestimmung und nette Willkommensworte aus, danach verabschiedeten sich alle und der Direktor machte mit mir einen Rundgang durch die Schule.
Sie ist klein.
Mag ich.
Mit nur um die 300 Schüler_innen.
Nachdem ich mich nun bestens auskannte (es gibt eine kleine Lehrerküche, wo alle ihren Kaffee - „Tinto“ - schlürfen, ein über dem Schulhof gelegenes Lehrerzimmer und sogar einen Informatikraum mit Laptops) übergab er mich der Koordinatorin. Diese hatte jedoch alle Hände voll mit verletzten, kranken, ungehorsamen oder organisierenden Schülerinnen und Schülern, sodass ich mich letztendlich am PC der zweiten Koordinatorin wiederfand. Für zwei Stunden. Konnte ich immerhin nach Herzenslust im Internet herumsurfen. Gegen 12 schickte mich der Direktor zum Mittagessen nach Hause. Um 1pm kam ich wieder und jetzt fand endlich ein Treffen mit den drei Englischlehrern der Schule statt. Wir arbeiteten einen groben Stundenplan für mich aus, sodass ich in jeder Klasse einmal pro Woche bin. Danach ging es auch sofort los.
Um 2pm findet immer eine kleine Freiwilligenklasse statt, für motivierte Schüler_innen, die gerne ihr Englisch verbessern würden. Sie waren überaus erfreut über mein Dasein und die Lehrerin gab ihnen viel Freiraum, um mir Fragen zu stellen. Auf Englisch klappt das noch nicht so gut, aber es scheint eine coole Truppe zu sein, sehr interessiert auf jeden Fall. Sie haben sich schließlich sogar vorgestellt, so mit Name, Alter, Stufe und Hobbies. Auf Englisch.
Am Dienstag ging das im Grunde genommen so weiter. Ich war in meinen verschiedenen Klassen und ausnahmslos in allen veranstalteten wir eine Fragestunde. Viel von meinem Englisch verstehen die estudiantes leider nicht, ihren eingeschüchterten Gesichtsausdrücken nach zu urteilen.
Kommt noch.
Häufig gestellte Fragen:
  • Wie gefällt dir Kolumbien?
  • Magst du das Essen in Kolumbien?
  • Was esst ihr in Deutschland?
  • Wohin bist du schon gereist?
  • Welche Sprachen sprichst du?
  • Hast du einen Freund?
  • Was sind deine Hobbies?
  • Was für Musik hört man in Deutschland?
  • Wo ist Deutschland überhaupt?

Daraufhin habe ich in zwei Klassen erst einmal eine voll hübsche und detailgetreue Weltkarte an die Tafel gemalt und die geografischen Tatsachen geklärt.
Bildungsauftrag: Häckchen.

Und ich bin ja so eine Attraktion. Sitze ich in der Lehrercafeteria, winkt man mir durchs Fenster zu. Gehe ich über den Schulhof, schallt mir von irgendwo immer ein „Hello“ oder „Good Morning“ entgegen. Stehe ich zu lange an einer Stelle, bildet sich langsam eine Traube von estudiantes um mich herum. Ist aber ganz süß und wird sich mit der Zeit ja auch geben.
Zwei meiner Schüler brachten mich noch nach Hause. Sie wussten zu meiner Veblüffung bereits, wo ich wohne.
Insgesamt macht mir die Arbeit mit den Schülern und die Kooperation mit den Lehrern ziemlich Spaß, auch wenn ich meine Erwartungen bezüglich der Englischkenntnisse etwas herunterschrauben muss.
Übrigens werde ich Montags und jeden zweiten Freitag in der Primaria unterrichten, der Grundschule also. Diese liegt etwas außerhalb Cucaitas, ist aber auch zu Fuß super erreichbar.

~ Wort des Tages: „suavizante“. Das heißt Weichspüler und ist so unnötig zu wissen, dass man es sich sofort merkt.

Hasta luego,
Karla
Der Plaza in Villa de Leyva, einem total schönen aber auch sehr turistischen Dörfchen, wo man immerhin als Ausländer weniger angestarrt wird.

In Villa de Leyva wohnen Hauke und Marla. Die haben Laura und ich letzten Donnerstag besucht. Auf dem Foto: Haukes Gastmum, Hauke, Laura.

Samstag, 22. August 2015

Die Deutsche ist da

Buenas tardes aus Kolumbien!

Bevor ich mit meinen ersten Eindrücken starte: Einige haben im Vorhinein eine Mail mit Infos bekommen. Diese Informationen sind nicht mehr ganz korrekt.

Seit dem 11-tägigen Vorbeireitungsseminar in Wiesbaden weiß ich nämlich, dass ich nicht in der Provinzhauptstadt Tunja, sondern in dem nahe gelegenen (25min mit dem Bus) Dörfchen Cucaita wohnen und arbeiten werde. Hier in Cucaita hat die Fundación 180 Ramos de Buitrago, meine kolumbianische Partnerorganisation, noch nie Freiwillige hingeschickt – nicht nur, aber auch dadurch bin ich definitiv eine Attraktion. Ich sehe eben nicht kolumbianisch aus, und Touristen verirren sich nicht in mein kleines Dorf. Wenn ich durch die Straßen laufe sind mir neugierige Blicke sicher. Einfach freundlich grüßen und weiterlaufen.


Cucaita hat sogar einen kleinen Hollywood-aenlichen Schriftzug!
                            
In Tunja wohnen unterdessen 10 (bzw. 12, zwei werden noch nachreisen) und in Villa de Leyva, einem Dorf ca. eine Stunde von Tunja entfernt, weitere zwei Freiwillige.
Viel mehr als ich ursprünglich gedacht hatte. Ist aber ganz gut so, inzwischen würde es mir mit nur drei anderen schrecklich leer vorkommen.

Nach einem anstrengenden Flug (weil einfach viel zu langes Sitzen abverlangt wurde) und einer holprigen Busfahrt, auf der alle nur schlafen wollten (was durch die Straßen- und Verkehrsführung arg erschwert wurde), nahmen uns endlich unsere Gastfamilien in Empfang. Für mich bedeutete das nur meine Gastmutter, da ich zu der unwirtlichen Zeit von 2am ankam.


Unsere Truppe mit Teamern/Teamerinnen beim Vorbereitungsseminar.

Gerade in Bogotá angekommen, die Busfahrt noch vor uns.

Am nächsten Morgen fing so gegen 6am unten die Party an. Das ist mein Ernst.
Samstag und Sonntag fand hier in Cucaita, dem 2000 (?)-Seelen-Dorf, der „Consurso National de Danza Piedra del Sol“ statt (ein nationales Festival traditioneller Tänze). Es reisten Tanzgruppen und -Paare aus 13 verschiedenen Departamentos (quasi Bundesländern) an!
Entsprechend viel war bei uns im Haus los. Meine Gastmutter Eva kochte mittags und abends für um die 30 Teilnehmer – das bedeutet schälen, schnibbeln und köcheln todo el día.



Die Taenzerinnen und Taenzer behielten wirklich die ganze Zeit ein professionelles Laecheln auf.
Die traditionellen Schuhe. Brr, kalt.


Dieser Text würde viel zu lang werden, ginge ich ins Detail über all die Geschehnisse der letzten Tage. Also zurück zu den nützlichen Stichpunkten.

-        Es ist kalt! Da Jahreszeiten hier nicht existent sind, hängt die Temperatur ausschließlich von Wolken oder nicht Wolken ab. Und meistens heißt es eben Wolken. Da es hier nie friert haben die Häuser allesamt keine Heizungen, sind dafür gut mit Decken ausgestattet.
Wenn dann allerdings mal die Sonne rauskommt ist es richtig schön warm und der nächste Sonnenbrand ist nicht weit.

-        Vegetariersein in Kolumbien ungleich Vegetariersein in Deutschland. Ich musste hier leider bereits innerhalb des ersten Tages meine vegetarischen moralischen Regeln über Bord werfen. Offiziell esse ich natürlich immernoch keine Tiere, aber um die Hühnerbrühe komme ich nicht herum. Ebenso wenig wie um die Reispfanne, aus der ich eben das Hühnchen herauspicke. Aber das ist schon okay, alles andere könnte ich von meiner Gastfamilie auch nicht erwarten und hier ist eben alles anders als gewohnt.

-        Über meine Gastfamilie an sich: Außer meinen Gasteltern Eva und Mateo habe ich noch drei Geschwister. Der älteste Bruder, Cristian, hat wiederum bereits selber eine kleine Familie – eine total nette Frau namens Diana und eine kleine süße Tochter (3), Lucia. Diese verbringt übrigens die Tage bei uns während ihre Eltern arbeiten.

-        Meine Familie ist sehr nett und vor allem Eva kümmert sich ganz fantastisch um alles. Das einzig doofe ist, dass ich so wenig verstehe... Die Kolumbianer_innen sprechen schon ein anderes Spanisch als das, welches wir im Unterricht kennengelernt haben.

-        Zu meinem Leidwesen gibt es zuhause kein WLAN... Ich schreibe nun also aus einem Internetcafé.

-        Die Früchte sind der Hammer! Dafür muss ich beizeiten einen eigenen Eintrag schreiben.

-        Montag und Dienstag fand unser Einführungsseminar mit unseren zwei Mentoren Martin und Natalia in Tunja statt. Dafür wohnten wir vier Dorfleute in dem Apartment von Natalias Eltern. Alleine. Denen ist es hier zu kalt, sie wohnen die meiste Zeit an wärmeren Orten.
Dort in Tunja (immerhin 200m höher als Cucaita) bekam ich zum ersten Mal die enorme Höhe und damit einhergehende dünne Luft zu spüren. Zittern und Atemnot. Nicht schön, sage ich euch.

Bei einer Stadtrallye in Tunja entdeckten wir diesen tollen "jardín de la casa del fundador". Eine kleine ruhige Oase mitten in der Innenstadt.

Plaza de Bolivar, ein paar Meter weiter. Das Zentrum Tunjas, mit so vielen Tauben wie in Venedig.


-        Ich bin viel viel größer als die Durchschnittskolumbianer. Allein deswegen falle ich auf. Aber hey, so hat man auch in der letzten Reihe den perfekten Blick!

-        Unsere Dusche hat leider nur einen Drehknopf und der regelt das Volumen. Was bedeutet das? Kaltes Wasser.

-        Taxen sind wunderbar billig. Wir haben zum Beispiel für geschätzte 10min Taxifahrt zu viert 4000pesos bezahlt, also 1000 pro Person (!), das sind umgerechnet <30ct pro Person (!!!)

Insgesamt gefällt es mir wirklich gut in Kolumbien und ich freue mich bereits darauf, nächsten Montag das erste Mal in die Schule (San Felipe) zu gehen und die Schüler_innen und Lehrkräfte kennenzulernen.

   ~ Wort des Tages: „Ruana“. Das ist das hier gebräuchliche Wort für Poncho. Und Ponchos werden  hier sehr gerne und oft getragen. Die sind aber auch mega praktisch!

Hasta luego,

Karla



Bergbesteigung mit Laura. Von hier oben kann man das ganze Dorf super ueberschauen.

Laura, meine Mitdorfbewohnerin. Da wohnt sie.

Und circa hier wohne ich.
Etwas weiter links von meinem Finger.