Mittwoch, 13. April 2016

Gebrauchsanweisung für das Überleben in kleinen Dörfern in Boyacá, Kolumbien

Buenas noches,

ich hatte mal wieder Bock auf mehr oder weniger zusammenhängende Stichpunkte. Hier kommt also die ultimative

Gebrauchsanweisung für das Überleben in kleinen Dörfern in Boyacá, Kolumbien:

  1. Wenn du zu den vielen Menschen gehörst, die nicht von alleine um sechs Uhr morgens aufwachen, stelle dir immer einen Wecker. Auch am Wochenende. Sonst verpasst du den halben kolumbianischen Tag und wenn du um halb zehn gemächlich aufstehst ist der Frühstückskakao, das Duschwasser und die Familie weg.

  1. Duschen ja, lange nein. Wasser ist knapp, also beschränke dich auf drei Minuten.

  1. Wähle deine Kleidung sorgsam aus. Während des Tages werden dir wahrscheinlich alle Jahreszeiten über den Weg laufen, also ist Zwiebelprinzip angesagt. Jeans, Sneakers, T-Shirt, Pulli und (Regen-)Jacke sind Grundausstattung. Morgens ist es kalt, nachmittags total warm, zwischendurch kann es je nach Zeit des Jahres regnen und abends ist es wieder bemerkenswert kalt.

  1. Grüße alle dir begegnenden Leute, aber ignoriere ruhig das Zischen und Rufen der Bauarbeiter (trifft wohl eher auf Frauen zu).

  1. Bestehe darauf, dass du als Deutsche*r immer pünktlich bist und komme dann doch zu spät – sie werden dich sofort als eine*n der ihren annehmen.

  1. Wenn dich jemand auf einen Tinto einlädt, wage es nicht, nein zu sagen. Sie werden dich sowieso früher oder später dazu kriegen.

  1. Lasse dich einladen (auf Tinto, Essen, Bier...) aber vergiss nicht, auch selber großzügig mal was springen zu lassen.

  1. Lerne, mit Gasherden umzugehen und genieße die Geschwindigkeit, mit der alles erwärmt wird.

  1. Wenn gut erwärmt, suche dir einen Lappen oder ein Handtuch, um dich dem Topf/der Pfanne/der Kakaokanne zu nähern. Isolierte Griffe sind nicht existent.

  1. Reagiere gelassen und mit viel Humor auf Deutschlandwitze, die Kolumbianer*innen halten es mit Witzen über ihr Land nicht anders.

  1. Du musst nicht zwingend antworten, wenn dich jemand fragt, wie es dir geht. Das ist die Grußformel. Erst wenn die Person drei Mal direkt hintereinander nachfragt („Hola, cómo estás? Qué más? Cómo te ha ido?“) solltest du ein „Bien“ zurückgeben und alle sind zufrieden.

  1. Verhandle über fast alles und fast überall. Hartnäckigst.

  1. Verabschiede dich von dem Gedanken, dass Cappies nur etwas für Gangster oder Kinder von überbesorgten Müttern sind. Es wird sich herausstellen, dass man die sogar nachts zum Feiern auf dem Dorfplatz zur Schau tragen kann.

  1. Bringe zum Mittagessen Hunger und eine Stunde Pause danach mit. Du wirst sie brauchen.

  1. Ignoriere nicht nur Zischen und Rufen, sondern auch bellende Straßenhunde und Durchsagen des Pfarrers.

  1. Stelle dich auf einen durchgehend laufenden Fernseher ein. Und auf sehr gewöhnungsbedürftige Serien. Und auf total durchdachte spannende Werbung.

  1. Ob auf Ausflügen oder nur der täglichen Arbeit in der Schule, habe stets deine benötigte Ration Klopapier dabei. Das gibt es nämlich auf keinem öffentlichen Klo. Mit ganz viel Glück triffst du ansonsten auf einen Klopapierautomaten, wo du das praktische Baumprodukt für ca. 500 pesos (10cent) erstehen kannst.

  1. Hast du erfolgreich an das Klopapier gedacht, kommt hier die nächste Lektion. Schmeiße nie, ich wiederhole, NIEMALS Klopapier ins Klo. Das würde hier zu sintflutartigen Überschwemmungen und somit, was noch viel schlimmer ist, Wasserverschwendung führen. Wähle also lieber den kleinen Mülleimer neben dem Klo zur Entsorgung aus.

  1. Triffst du dich abends im Dorf mit Freunden, und sagen sie „Komm, wir trinken noch ein Bierchen“, dann kannst du dich auf eine lange und witzige Nacht mit definitiv mehr als einem Bier einstellen.

  1. Stelle dich darauf ein, mit voranschreitenden Monaten mehr Zeit zu haben aber weniger zu machen. Deshalb fiel mir kein guter zwanzigster Punkt mehr ein.


So, das wären ein paar Sachen, die ich euch potentiellen Kolumbienkennenlernern mit auf den Weg geben möchte. Bei dem einen oder anderen Punkt mag ich etwas ins Sarkastische abgerutscht sein, man muss also nicht alles irre ernst nehmen.


~ Wort des Tages: „empapado“. Inzwischen regnet es hier nahezu jeden Tag – was natürlich toll ist – und deshalb habe ich dieses wohlklingende Wort ausgewählt. Es bedeutet patschnass.


Hasta luego,
Karla

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