Dienstag, 22. Januar 2019

2,5 Tage in Vilnius


Vilnius. Es ist bereits über zwei Monate her, aber erzählen werde ich euch trotzdem davon.

Meine Busfahrt hatte ich bei LuxExpress gebucht, und der Name ist Programm. Mehr als ein Meter Beinfreiheit, individuelle Bildschirme mit guter Filmauswahl, Panoramafenster, Anschnallgurte und – UND – ein Heißgetränkeautomat! Alle Getränke inklusive!
Wir verlassen Rigas Busbahnhof punktgenau um 13:45 Uhr und lassen bald jegliche Zivilisation hinter uns.
Nebel. Es ist drei Uhr nachmittags, aber über den Feldern, durch die ich fahre, liegt unbeirrbar Nebel. Je näher wir Vilnius kommen, umso mehr verdichtet er sich. Langsam schälen wir uns durch den Dunst, links und rechts tauchen gedämpfte Lichter auf. Es ist gespenstisch, und doch fahren alle Autos in gewohnter Geschwindigkeit ihre gewohnten Wege. Auf der Fahrt habe ich außerdem die Rastplatzschilder für mich entdeckt: Sie zeigen eine Tanne, die sich beschützend über ein Schemelchen beugt. Knuffig.
Es ist 18:00 Uhr, als ich in der Hauptstadt Litauens ankomme. Schnell finde ich Hostel und Freunde. Sie sind bereits seit Mittag hier, aber Karla hatte noch eine Klausur zu schreiben. Ich habe Hunger, wir alle haben Hunger, also setzen wir uns vollkommen underdressed in ein stylisches georgisches Restaurant. Ich esse ein traditionelles Dings mit unglaublich viel Käse, die Jungs freuen sich über enorme Schaschlikspieße. Wir probieren noch ein, zwei Bars aus, aber die nächtliche Szene ist an diesem 570.000 Leute-Ort an einem Donnerstag ziemlich übersichtlich.

Town Hall Square Vilnius, tôt le matin.

Freitag. Zum Frühstück holt man sich Backwaren oder, für die ‚etwas Anderen‘ unter uns, Sushi, und isst es im Stehen auf dem Town Hall Square. Dann geht das von-Sehenswürdigkeit-zu-Sehenswürdigkeit-Tapern los. Im Gegensatz zu Riga sind in Vilnius nicht alle niedlichen Altstadtgässchen auf einen Teil der Stadt komprimiert. Stattdessen kann man immer wieder neue Entdeckungen machen. Das mochte ich.
Wir kletterten auf einen Hügel mit zerfallener Festung hinauf, um von dort oben die Stadt zu begutachten. Beziehungsweise, um tiefgründige und erhabene Fotos vor den bewölkten Silhouetten Vilnius‘ zu schießen. Es ist kalt, deshalb soll unser nächster Stopp das ‚Cat Café‘ werden. Ja, das ist ein Café, in dem ganz viele flauschige dicke Katzen herumlaufen. Jedoch gibt es einen Mindestverzehrwert und eine extra Einführung in den richtigen Umgang mit Katzen. Wir verzichten und lassen uns lieber in einem standardisierten Café nieder.
Wir laufen weiter durch Gassen und über Brücken, am Kanal entlang (der wirklich nicht besonders fotogen ist), und kommen an einem Militärevent vorbei. Ohne eine Mienen zu verziehen, hissen ein paar Soldaten Flaggen und packen sie dann wieder ein.
Um Punkt 17:00 Uhr ist es dunkel. Wir verabschieden uns von der Hälfte der Truppe, übrig bleiben nur Benni, Moritz und ich.

Karla vor dem benebelten Vilnius.
Meine posenden Reisebegleiter.
Ein zerfallenes, verlassenes, aber meiner Meinung nach total faszinierendes Café. Man sieht, dass es mal sehr schön war.
Benni mit Kaffee vor Café.
Eine... wichtige Kirche.
Oben am Balkon sieht man die litauische Flagge.
Samstag. Ich hatte mich erst auf der Busfahrt zum ersten Mal erkundigt, was man denn so in Vilnius machen könnte, und jede Website empfahl mir Užupis. Also schleppte ich meine zwei Begleiter dorthin. Užupis ist ein Stadtteil, welcher im Jahre 1997 am ersten April spaßhaft seine Unabhängigkeit deklarierte und die Republik Užupis ausrief. Hier ist alles künstlerisch, alternativ und sehr entspannt. Karla war voll von den Socken. Sobald man die Brücke, an welcher eine Holzschaukel hängt, überquert, ist man in dieser anderen Welt. Der Name des Viertels/der Republik bedeutet übrigens auch so etwas wie „hinter dem Fluss“.

Links der Brücke: Užupis. Rechts der Brücke: Vilnius.
Wir streben als erstes in die Touristeninformation, wo uns anhand von Fotos der Präsident vorgestellt wird. Er trägt ein Narrenkostüm. Sympathisch. Hätten wir unseren Reisepass dabeigehabt, dann hätten wir sogar einen Stempel von der Republik bekommen. Schade eigentlich. Wir gehen weiter. Um das Gebäude herum ist überall Kunst in Form von „toten“ Klavieren, beziehungsweise Klavieren, denen ein zweites Leben geschenkt wurde.

Der Flügel am Fluss. Der Flussflügel.
Kunst.

Es gibt blumige Innenhöfe von Künstlerwohngemeinschaften, schnuckelige Cafés, Häuser und Gänge, die legal mit Graffiti verziert wurden und eine auf Spiegeln aufgeschriebene, in 23 Sprachen übersetzte Verfassung. Mein Lieblingsgesetz ist Nummer drei: “Everyone has the right to die, but this is not an obligation.”

Psychedelisch anmutende Graffiti.
 Nach diesem Ausflug in eine Parallelwelt laufen wir drei einmal quer durch Vilnius, um in einem mexikanischen Restaurant, in dem ausschließlich Bachata-Musik läuft, zu Mittag zu essen. Gegen Abend geht es wieder zurück nach Riga.
Ich nehme mit: natürlich ist die Hauptstadt ‚meines‘ kleinen Nachbarlandes nicht unglaublich anders als Riga. Aber die Republik Užupis gibt es eben nur dort, und die Aufteilung der Stadt ist auch ganz anders. Das macht den Reiz von Vilnius aus: Egal wohin man sich verläuft, es gibt immer weitere süße kleine Gässchen zu entdecken.

Ein Maßband an einer witzigen bunten Wand! (Der to-go-Becher ist nicht von mir.)
Rückweg, am Kanal entlang.

~ Wort des Tages: "Saule". Sonne. Und das verwandte Wort "Pasaule", Welt. In den letzten Tagen  schien die Sonne sogar und ließ Riga in klaren Winterfarben erstrahlen. 


Karla

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Ich freue mich immer ueber Kommentare.