Mittwoch, 13. Juli 2016

Vom Berühmtsein und Streiks

Guten Morgen, ein letztes Mal aus Kolumbien

In einer Woche bin ich gerade auf dem Weg nach Bogotá, zum Flughafen, und morgen in einer Woche bin ich gerade in Frankfurt angekommen. Die Melancholie des nicht-gehen-Wollens hat mich eingeholt.

Unvergesslich machen
Vor einer Woche waren Fiestas in Cucaita. Laura und Karla wären nicht Laura und Karla, wenn wir diese nicht vernünftig genutzt hätten, um uns gebührend bei unseren Cucaitanern zu bedanken.
Wir hatten also ein Lied geschrieben. Nein, das trifft es nicht ganz. Wir hatten sechs Lieder umgeschrieben. Aus jedem hier signifikanten Genre hatten wir ein Lied herausgesucht, dann ein Mashup zusammengeschnitten und einen neuen Text daraufgedichtet. Das fertige Werk wurde dann im Ecuadorurlaub bis zum Umfallen geübt und auch eine kleine Choreographie einstudiert. Wenn schon, denn schon.
Am Sonntag um 10.30pm, als der Dorfplatz gut gefüllt war, spazierten wir zwei dann auf die Bühne und sangen und tanzten unser Lied „Qué Gracias Sumercé“.
Und auch wenn wir definitiv schon einmal besser gesungen hatten und uns selbst fast nicht hörten waren die Dörfler angemessen begeistert. Als wir von der Bühne kamen, durften wir eine Menge Fotos mit einer Menge mir nicht immer bekannter Leute machen.
Falls euch interessiert, wie das so aussah – es ist bereits auf Youtube (der Ton wird im Verlauf des Lieds besser):


In dem Lied erzählen wir davon, wie unsere Familie anfangs gegen Kolumbien war, wir uns aber durchsetzten und in Cucaita viele tolle Leute kennenlernten und uns in dieses kleine Dörfchen verliebten. Hier und da machen wir ein paar Anmerkungen zu diversen Bier- und anderen Alkoholsorten. Wir zählen ein paar wichtige Orte des Dorfes (Bäckerei, Apotheke, Polizei, Rathaus), sowie typische Leckereien auf.
Dann gehen wir zu unserer Arbeit über. Sowohl Grundschule und Weiterführende als auch die Bibliothek wurden von uns besucht, und in einer herzzerreißenden Zeile singen wir, wie gut uns doch die Schulen gefallen und wie lieb wir die Kinder gewonnen haben.
Wir fügen hinzu, dass wir Spanisch schnell erlenen würden, und dann kommt ein Rapteil, den wir zum größten Teil auf deutsch durchziehen.
Das folgende Lied besteht aus einer Aufzählung an Früchten und Orten, die wir hier kennenlernten. Auch die Musik darf natürlich nicht fehlen, also geben wir zu, wie gut uns Latinomusik gefällt und gehen dann zum tiefgreifenderen Teil über. Hier erzählen wir, dass wir nicht gehen wollen. Wir geben den Cucaitanern das Versprechen, sie nie zu vergessen, laden sie nach Deutschland ein und fügen hinzu, dass wir wiederkommen werden. Das Lied endet mit einem „se acabó“ - es ist vorbei.


Das hier zeigt ziemlich gut, was wir eine halbe Stunde lang machten.
Fiestaas!

 
LKW-Fahrer verursachen Krise
Seit über einem Monat befinden sich die LKW-Fahrer im Streik und seit ein paar Tagen sind die Auswirkungen deutlich zu spüren. Da es kein Bahnsystem gibt wird alles, wirklich alles, über diese Vehikel transportiert. Die Folgen des nicht-Arbeitens der 'camioneros' (der LKW-Fahrer) sind kein Benzin und Mangel an Lebensmitteln (und folgerichtig steigende Preise). Auf dem Land kann man immer noch Obst, Gemüse und Milch von den Nachbarn beziehen, die bauen ja alles lokal an. In der Stadt gibt es mehr Vorräte, nur von Joghurt und Toastbrot habe ich gehört, dass sie in ein paar Supermärkten knapp werden.
Seit gestern gibt es außerdem keine Schulbusse mehr, die meine Schüler aus den Nachbardörfern herankarren. Es fehlt eben das Benzin. Und auch Lehrer fehlen, da sie von weiter weg kommen und es keine Transportmöglichkeit mehr gibt. Jetzt gerade hätte ich eigentlich Unterricht, aber profe María hat es nicht nach Cucaita geschafft.

Laura und ich wollten mehr über die Motive der Camioneros wissen, also gingen wir zum Ortseingang, wo die Camioneros Cucaitas gemeinsam mit ihren LKW die Tage und Nächte verbringen, und ließen einen von ihnen erklären:

„Initiiert wurde dieser Streik, da wir quasi unbezahlt arbeiten. Wir Camioneros werden pro Tonne bezahlt, die wir transportieren. Verrechnet mit den Ausgaben, die wir für die Fahrt haben (Benzin, Instandhaltung, Maut), kommen wir mit unserer Arbeit nicht ins Plus.
Zudem hatte die Regierung einen Fond eingerichtet, um die alten LKW durch neue zu ersetzen. Es war auch genug Geld da, aber plötzlich reichte es doch nicht aus. Ich schiebe das auf die Korruption.
Wir kleinen Leute haben außerdem Angst vor den großen Firmen, die ins Land gebracht werden. Sie nehmen uns die Arbeit weg.
Ein weiterer Punkt sind die Mautgebühren. Die Mautstellen und ihre Preise erhöhen sich in ungerechtfertigtem Maße. Auf der 120km-Strecke von Tunja nach Bogotá muss ich durch 3 Mautstellen, wer soll das denn bezahlen?
Wir Camioneros halten hier Tag und Nacht Wache, in Schichten, um Präsenz zu zeigen. In dem Zelt haben wir sogar eine Art Küche, in der wir Mahlzeiten für alle zubereiten. Wir stehen zwar unter ständiger polizeilicher Beobachtung, auch von 'undercover' Polizisten, aber wir hatten bis jetzt nicht eine Auseinandersetzung. Es geht alles sehr diszipliniert zu.
Eigentlich wollen wir nicht streiken, aber wir werden weitermachen, bis die Regierung endlich etwas macht. Bis wir zu einem Einverständnis kommen und eine eindeutige Lösung gefunden wurde. Letztes Mal haben sie uns nämlich betrogen und falsche Versprechungen gemacht.“

Soweit die Meinung eines sich im Streik befindenen LKW-Fahrers.

Die Regierung scheint nicht gewillt, nachzugeben. Manuel Santos, der Präsident Kolumbiens, rief gestern im Fernsehen die Camioneros auf, die arbeiten wollen, dies zu tun. Ein paar LKW fahren tatsächlich, allerdings immer begleitet von einem riesigen Polizeiaufgebot.

Inzwischen machen wir Freiwillige uns vor allem Sorgen um unseren Rückflug. Wie sollen wir nach Bogotá kommen?

Der Streik in Cucaita



~ Wort des Tages: „pelado“. Gepellt sein. Ein volkstümliches Wort für pleite, und das bin ich gerade, da ich so wenig wie möglich abhebe. Denn was will ich in Deutschland mit kolumbianischen Pesos?

Dies war mein letzter Post aus Kolumbien, meiner neuen Heimat. Ich werde schon ganz melancholisch. Lieber aufhören.

Chao,
Karla

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