Montag, 5. Oktober 2015

Mit Geige, ohne Wasser - mit Feiern, ohne Schlaf


Buenos días!

Es sind Ferien und eigentlich habe ich gar keine Zeit zum Blogschreiben, aber ab morgen bin ich im Urlaub, also muss ich vorher einfach noch berichten, was alles so passiert ist.

In aller Freundschaft
Am vorletzten Freitag begab ich mich wie gewohnt gegen 9am in die Grundschule, bereit, mich der Fünften, Nullten und Dritten zu stellen. Musste ich zu meiner Begeisterung jedoch nicht.
Am vorhergegangenen Wochenende war nämlich der 'día de amor y amistad', also der Tag der Liebe und Freundschaft. Und wenn man schon einmal so einen Tag hat, dann feiert man den auch gebürend. Wenn auch eine Woche später.
Es gab zwei Tanzaufführungen, ein kleines Theaterstück zum Thema Freundschaft und unausweichlicherweise eine Rede des Direktors. Außerdem wurden bestimmt eine Viertelstunde lang Hymnen gesungen. Die Kolumbianer stehen auf Hymnen. Es gibt ja auch für alles und jeden eine. Begonnen wurde mit der Nationalhymne. Easy. Es folgte die Hymne des departamentos (quasi Bundesland) Boyacá.
'Hat NRW eine Hymne?', drängte sich mir die Frage auf. Diese war schnell vergessen, denn nun stimmte man die Hymne Cucaitas an. Cucaitas! Das ist ein 2000-Seelen-Dorf! Man stelle sich vor, mein Dorf Hersel hätte eine Hymne. Witzig. Nun konnte mich nichts mehr umhauen, also hängten die Schüler_innen gleich noch die Schulhymne dran.
Nach dieser Veranstaltung, an deren Ende an alle (inklusive Lehrerinnen und Direktor) Lutscher verteilt wurden, fanden sich alle Lehrerinnen und Karla im Lehrerzimmer ein und aßen zusammen Suppe, die eine Kollegin mitgebracht hatte. Naja gut, für mich gab's einen super Obstsalat, da die Suppe selbstverständlich Hühnchen beinhaltete. Das war ein sehr nettes Beisammensein. Ich wurde fleißig über mein Vegetariersein ausgefragt. Das ist wahrscheinlich das Exotischste an mir hier.
Darauf folgen zehn Minuten Tierpantomime mit den Fünftklässlern und ein bisschen Unterhalten mit selbigen, während zwei Zahnärztinnen Zahnputzzubehör verteilten.
Auf dem Weg über den Schulhof, zurück in mein ruhiges Zuhause, bestürmte mich eine Gruppe Drittklässler (?) und bestand darauf, mir einen Haufen Süßigkeiten zu schenken.

Die Tänzer_innen trugen sogar eigens dafür angefertigte Kostüme!
Anerkennung für besondere Leistungen

Hot 'n cold
Kurz etwas über Kolumbianer beschäftigende Nachrichten. Es gibt momentan eine Meeenge (Wald-) Brände, Dürre und kein Wasser. Es ist einfach in den meisten Teilen Kolumbiens gerade sehr trocken (also hier hat es seit ich angekommen bin geschätzt drei Mal geregnet), das ist normal. Die Brände seien auch normal. Nur das Fehlen des Wassers kann eigentlich nicht sein, denn wie ich vorgestern gelernt habe, ist Kolumbien das sechst wasserreichste Land der Erde (Nummer eins ist Brasilien, Deutschland wird gar nicht erst erwähnt). Dieses Wasserproblem sei allein auf eine miese Politik und Korruption zurückzuführen, sagte man mir.
In anderen Teilen allerdings werden Städte überflutet und im Fernsehen sieht man weggespült werdende Autos und Busse. Sehr sarkastisch.

Berufsmesse auf Basketballfeld
Vor einer Woche, am Montag, fand in der Secundaria die dritte 'feria regional emprenderista' statt, etwas, das ich als eine Art Berufsmesse verstanden hatte. Stellte sich heraus, dass eigentlich nur (sehr süßes) Essen verkauft wurde. Was sagt uns das über die berufliche Zukunft meiner Schüler_innen?
Die Messe wurde von den 10. und 11. Klassen meine Schule San Felipe organisiert (Zwölfte gibt’s nicht), an den Ständen fanden sich zusätzlich noch Kollegen drei verschiedener benachbarten Schulen. Was mir positiv auffiel, waren einmal die Abtrennungen der Stände. Sie bestanden nämlich aus Plastikflaschen. Außerdem gab es einen sehr interessanten Stand, der 'upcycelte' Gegenstände aus Autoreifen verkaufte. Nicht so gut gefielen mir persönlich die 'Tierstände', an denen man lebende Hühnerküken, Meerschweinchen und Kaninchen (zum späteren Verzehr) erstehen konnte.

Oben links ein Gewächshaus aus Plastikflaschen!

Wochenende
Am Freitag fand mal wieder ein Treffen mit Koordinatoren, Mitfreiwilligen und zwei ehemaligen Freiwilligen in Tunja statt. Um 5pm. Ungünstig, da die letzten Busse nach Cucaita um 7pm abfahren und man die laut meiner Familie an einem Freitag Abend auch lieber meiden sollte (wegen alkoholisierter Mitmenschen). Also quartierte ich mich bei Edward, meinem Kollegen ein und wir gingen zusammen gefüllte Arepas essen (ich würde sie schon fast als die kolumbianischen Döner bezeichnen) und danach mit seinen Freunden feiern. So langsam lerne ich auch, die verschiedenen Musikstile zu unterscheiden (also so Salsa, Vallenato, Bachata, Reggeaton...).
Am nächsten Tag fuhren wir mit seiner Mutter und seinem Bruder Daniel nach Duitama, wo wir alle etwas geschafft im Haus herumhingen und ein paar nortamerikanische Serien suchteten. Am Abend ging es mit zwei Freunden Edwards in das nächste Städtchen Tibasossa. Total hübsch! Wir verbrachten einige Stunden in einem Restaurant mit tollem Ausblick, ich brachte allen 'Ich heiße' bei und erklärte die schwierigen drei Artikel der deutschen Sprache. Auf Spanisch, nicht einfach.

Das Rathaus Tibasossas mit allen Bürgermeisterinnen und den zwei Bürgermeistern, die jemals dort im Amt waren. Das Besondere ist nämlich, dass es eben fast nur Frauen waren und sind.
Mit den Bürgermeisterinnen. Ich bin mir der (be-) rauschenden Qualität bewusst.

Mit super Ausblick vom Restaurant.

Neue Klänge
Seit Donnerstag habe ich eine Geige! In Villa de Leyva, wo Marla und Hauke wohnen, gibt es eine Musikschule, die mir einfach eine Violine mitgegeben hat. Unter der Bedingung, dass ich mindestens ein- bis zweimal im Monat am Unterricht teilnehme. Dieser ist kostenlos. Die Geige auch. Da könnte sich Deutschland eine Scheibe von abschneiden! Einzig die Anfahrt ist mir etwas zu zeit- und kostspielig, also werde ich meine Teilnahme an Unterricht und Streichorchester auf ein Minimum begrenzen und lieber zuhause meine Familie mit dem Geigenspiel erfreuen.


Wie schon erwähnt geht es morgen los, das Land erkunden. Zusammen mit fünf der anderen Freiwilligen werde ich zwei Tage in San Gil und zwei Tage in Bucaramanga (nord-östlich von hier aus) verbringen. Diese Orte sind für Schönheit, Wärme und Extremsport bekannt. Davon werdet ihr natürlich hören.

~ Wort des Tages: „chistoso“. Das heißt witzig und man hört es dauernd. Da ich seit dem Kennenlernen der Känguruchroniken eine Tendenz dazu entwickelt habe, übermäßig Vieles mit 'witzig' oder 'nicht witzig' zu kommentieren, kommt mir dieses spanische Wort sehr gelegen.

Hasta luego,
Karla

Ausblick auf die Terrasse, mit Mercy. So heißt unsere Hündin jetzt nämlich. Schwer zu erraten, wessen Vorschlag der Name war.
Ganz normaler Anblick auf einem Spaziergang durchs Dorf.

Mit Milena und Yuly (letztere Nachhilfeschülerin, erstere ihre Schwester)

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